Streit um den Aufbau nach den Beben

Regierung und Opposition El Salvadors werben bei einer Geber-Konferenz in Madrid für unterschiedliche Pläne

SAN SALVADOR taz ■ Die Erdbebenserie seit dem 13. Januar hat nicht nur den Boden El Salvadors aufgerissen, sondern auch die politischen Gräben. So wirbt auf einer Geber-Konferenz, die heute in Madrid beginnt, Präsident Francisco Flores von der ultrarechten Arena-Partei um Spenden und Kredite für das zerstörte Land. Die linke Opposition der ehemaligen FMLN-Guerilla tritt mit einem eigenen Aufbauplan an. „Ich hoffe, dass die FMLN dem Land nicht schadet“, sagte Flores vor der Abreise. Darauf Roberto Lorenzano, Wirtschaftsfachmann der Oppositionspartei: „Ich weigere mich, auf solche Kommentare überhaupt einzugehen.“ So geht das, seit sich das Land vom ersten Schock des schweren Erdbebens vom 13. Januar erholt hat. Es folgte ein zweites am 13. und ein drittes am 17. Februar. Dazwischen und danach mehr als 4.000 kleinere Beben. Die Bilanz: schätzungsweise 3.000 Tote und rund eine Million Obdachlose. Mehr als 300.000 Häuser wurden zerstört.

In der Hauptstadt San Salvador demonstrierten vergangene Woche tausende Erdbebenopfer und wurden von der Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas auseinander getrieben. Das seien gar keine richtigen Opfer, sagte ein Regierungssprecher. Die seien nur aufgewiegelt worden.

Bei dem Streit zwischen Regierung und Opposition geht es um zwei grundsätzlich verschiedene Politik- und Wirtschaftsmodelle. Die FMLN will den Wiederaufbau nicht nur mit internationaler Hilfe und Krediten finanzieren. Sie will auch die reichlich vorhandenen Dollar-Reserven des Landes anzapfen. Und sie will die Gemeinden stärken, deren wichtigste sie selbst regiert. Die Regierung will auf keinen Fall die Reserven der Zentralbank angreifen. Präsident Flores hat zum 1. Januar die Dollarisierung des Landes verordnet und braucht die grünen Scheine, um sie Stück für Stück gegen die immer noch zirkulierenden heimischen Colones zu tauschen.

Für die Unternehmerzirkel, die den Präsidenten stützen, ist das Wort „Dezentralisierung“ ein rotes Tuch. Vor allem die Bauindustrie wittert ein Bombengeschäft. Fast täglich fordert ein anderer Großunternehmer, das Bauen mit Lehmziegeln und Bambus gesetzlich zu verbieten. Bei den Beben waren vor allem Häuser aus diesen Materialien zusammengestürzt. Jetzt soll das Land mit Hohlblock-Häuschen zugebaut werden.

Beispiele dafür sind schon heute rund um San Salvador zu besichtigen. Man nennt sie „Streichholzschachtel-Siedlungen“. Pro Haus 30 Quadratmeter, inklusive Garten, in endlosen Reihen aneinander geklebt. Jede Einheit ist durchschnittlich mit sieben Personen belegt. Keine Grünflächen, dafür die höchsten Kriminalitätsraten. Um solche Siedlungen massenhaft bauen zu können, braucht man zentral vergebene Aufträge.

Nebenbei wollen sich die Baulöwen auch die Kleinaufträge sichern. Bei einem Rundgang durch San Salvador habe er feststellen müssen, dass viele Familien schon damit begonnen hätten, ihre beschädigten Häuser reparieren zu lassen, empörte sich Benjamín Trabanino, der Präsident des Verbandes der Bauindustrie, am Montag. Die Ausbesserungsarbeiten würden vor allem von kleinen Handwerkern gemacht, die davon nichts verstünden.

Er vergisst dabei, dass beim Beben vom 1986 die meisten Toten unter einem Einkaufszentrum aus Beton begraben wurden. Die Bauindustrie hatte sich keinen Deut um Sicherheitsnormen geschert. TONI KEPPELER