Der grüne Kick wider den Teufel

aus Stuttgart HEIDE PLATEN

So sehen sich die Grünen in Baden-Württemberg: als Reformatoren, Erneuerer, diejenigen, die mit Internet und Solarmobil schon längst in die Zukunft abgefahren sind. Zum Slogan geronnen, heißt das: „Die treibende Kraft“. Trotz all dieser Attribute haben sie sich für die Landtagswahl eigentlich nur ein einziges Wahlziel gesetzt: Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) ablösen!

Das Traumergebnis von 1996, jene 12,1 Prozent, die die Grünen zur drittstärksten Partei im Land machten, bereitet ihnen nun schlaflose Nächte. Vor allem seit die SPD versucht, mit der attraktiven Juristin Ute Vogt verlorenes Terrain zurückzuerobern. Der Spitzenmann der Ökopartei heißt Dieter Salomon, seit April 2000 Vorsitzender der Stuttgarter Landtagsfraktion. Den Bekanntheitsgrad der informellen ehemaligen Landesparteichefs, den des umtriebigen Fritz Kuhn und schon gar nicht den des kantigen, populistischen Rezzo Schlauch, kann er bei weitem nicht erreichen. Dennoch erhoffen sich die Grünen nach 13 im Bund verlorenen Landtagswahlen hintereinander am 25. März eine Renaissance. Die Partei gibt sich hoch motiviert und selbstbewusst. Dass sie mit einem Spitzenkandidaten antritt, ist ein Novum im Südwesten.

Einer von der stillen Sorte

Auf dem Landesparteitag im Oktober ist Dieter Salomon mit 94,6 Prozent geradezu überwältigend einvernehmlich gewählt worden. Das Ergebnis, sagte er damals, sei ihm selbst „etwas unheimlich“. Der 40-jährige Politologe aus Freiburg ist einer von der stillen Sorte, der die Grünen in seiner Antrittsrede auch auf alte Werte, auf „Aufklärung, Solidarität und Gerechtigkeit“, verpflichtete. Meist streitet er mit sanfter Stimme wider den Teufel, mit nachdenklichem Lächeln, Lachfältchen um die Augen hinter der Brille. Er setzt im Landtag auf Sachpolitik, nicht auf Konfrontation. Auch im Wahlkampf mag er Personalisierung eigentlich nicht. Ein „gutes Ergebnis“ – beileibe nicht eine Abwahl der seit 50 Jahren regierenden CDU – findet er, das sei schon eine „Trendwende“.

Salomon geht ohne eindeutige Koalitionsaussage in die Wahl. Ein schwarz-grünes Bündnis kann er sich „rein theoretisch“ schon vorstellen, nicht aber mit Erwin Teufel. „Der Alte“, findet er, müsse endlich gehen. Ihm ist an grundsätzlicher Veränderung im Südwesten gelegen. Da ist er nicht alleine. In Teufels eigener Partei wird ausgiebig über dessen Rücktritt spekuliert. Aufregung über schwarz-grüne Tändeleien hat auch der neue Bundes-CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer verursacht, als er laut über solche Bündnisse nachdachte. Gegen einen der gehandelten Teufel-Nachfolger, den Fraktionsvorsitzenden Günther Oettinger, habe er, hat Salomon seinerseits wissen lassen, schon weniger einzuwenden. Der sei liberaler als Teufel.

Auch das Wahlprogramm der Grünen lebt vom personifizierten Feindbild Teufel und empfiehlt vor allem eines: Teufel und die CDU ablösen. Es beschränkt sich auf vier Schwerpunkte: Ökologie als Markenzeichen samt Förderung des Mittelstandes, Förderung von Kindern und Familien, Bildungs- und Gesellschaftspolitik.

Wunschpartner, rot-gelb-grüne Ampel nicht ausgeschlossen, der Grünen könnte derzeit nur die SPD sein. Die befindet sich dank der neuen Hoffnungsträgerin Ute Vogt zwar laut Umfragen im Höhenflug – aber bei einem Ausgangspunkt von 25,1 Prozent bei der letzten Wahl will das nichts Entscheidendes heißen. Ampelspiele sind deshalb auch bei ihr an der Tagesordnung.

Ein Mann für zwei Wahlkreise

Den FDP-Landeschef Walter Döring nimmt Salomon – Ampeln hin oder her – persönlich ins Visier. Er tritt nicht nur in seinem Heimatkreis Freiburg an, sondern auch auf Dörings Terrain im Wahlkreis 22 in Schwäbisch Hall. Das Landeswahlgesetz macht eine Doppelkandidatur möglich. Gewählt ist ein Bewerber dort, wo er die meisten Stimmen erhält.

Salomon tingelt unermüdlich durchs Land. Seine mangelnde Popularität wendet er zur Bescheidenheit: „Ich bin halt ein Landespolitiker.“ Der Gastwirtssohn aús dem Allgäu ist geübt in Geduld und Abwarten. Als Kind hat er in der Wirtschaft geholfen, lernte von den Gästen das Fluchen und auch, bei den Prügeleien der Dorfjungen, die Nerven zu behalten. Daher, meint er heute, habe er seine viel gelobte Dialogfähigkeit.

Die Bildung verdankt er der weit gereisten Mutter, die ihn aufs Gymnasium schickte. In Berlin studierte er vorübergehend, kehrte in die Heimat zurück und arbeitete als Postbote. Auch da, sagt er, „lernt man Leute kennen“. Und Ausdauer. Er joggt, im Gegensatz zu Fischer, seit Jahren und ohne öffentliche Anteilnahme. Dabei mag er Anerkennung und gibt das auch offen zu.

Im Wahlkampf versucht er immer wieder zwei Ansätze zusammenzuführen: Links sei er als sozial denkender grüner Politiker für eine solidarische Gesellschaft, andererseits aber sei es nicht rechts, sondern urgrün, sich für mehr Eigeninitiative, weniger staatliches Reglement einzusetzen. Das habe er in der Alternativbewegung gelernt: „Kein Staatslinker sein.“

Eine Wahl auch für Berlin

Genüßlich registrierten die Gegner in letzter Zeit, dass die Partei mit ihrem potentiellen Bündnispartner SPD mehr Querelen hatte als mit ihnen. Die Grünen gelten dabei als Provokateure, zum Beispiel als der Vorsitzende des Landesverbandes, Andreas Braun, zum Jahresende über die „schwarze Ampel“ spekulierte und Gemeinsamkeiten mit der CDU ausmachte. Da schwieg die SPD verbiestert. Dann kam es für sie noch schlimmer. Im Januar gingen die Grünen die SPD-Spitzenkandidatin Ute Vogt direkt an. „Jung und Frau reicht nicht“, stand in einem Strategiepapier. Die SPD raunzte zurück: Die Grünen seien „wirr“ und „orientierungslos“. Vogt wunderte sich: „Die sind völlig von der Rolle.“ Salomon versuchte, die Wogen zu glätten. Als die Grüne Jugend dann noch eigenen Wahlkampfvorstellungen nachschob, krachte es wieder. „Grün fickt besser“, warb sie. SPD-Generalsekretär Wolfgang Drexler: „An Geschmacklosigkeit kaum noch zu überbieten.“

In Baden-Württemberg geht es für die Grünen, das weiß Dieter Salomon nur zu genau, am 25. März um mehr als eine Landtagswahl. Es ist eine Nagelprobe vor allem für die Realpolitiker aus Baden-Württemberg auf dem Berliner Parkett, deren Kurs hin zum Liberalismus – allen voran Fritz Kuhn – parteiintern manchmal bis zur Zerreißprobe umstritten war. Der Wahlkampf wird von der Berliner Parteizentrale massiv unterstützt. Schlauch, Kuhn, Künast, der Bergsteiger Reinhold Messner tingeln mit. Am 21. März wird Joschka Fischer zum Endspurt durch Stuttgart joggen.