Angst vor dem Spielraum

Kommen Kinder, ackern Männer oft nicht weniger, sondern mehr, um die Ernährerrolle auszufüllen. Nur zwei Prozent der Erziehungsurlauber sind Väter

von BARBARA DRIBBUSCH

Nein, einen Vater im Erziehungsurlaub konnte das Berliner Energieunternehmen VEAG gestern leider nicht präsentieren. Auch nicht einen Vater, der kürzlich einen Antrag auf Erziehungsurlaub gestellt hat. Aber vielleicht könne man demnächst „den einen oder anderen jungen Vater motivieren“, von dem neuen familienfreundlichen Gesetz Gebrauch zu machen, hoffte VEAG-Vorstand Martin Martiny. Es ist gar nicht so einfach, erziehungsurlaubswillige Väter zu finden – sie sind rar.

Obwohl seit Jahren dafür geworben wird, dass sich mehr Väter am Erziehungsurlaub beteiligen oder in Teilzeit gehen, tut sich wenig. Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD) versucht es jetzt erneut mit einer Werbekampagne: „Mehr Spielraum für Väter“, die sie gestern bei der VEAG vorstellte. Fünf Millionen Mark kostet die bundesweite Aktion mit Plakaten, Hörfunk- und Fernsehspots. Motto: „Wäre es nicht schön, wirklich dabei zu sein?“ Offensichtlich wäre es das nicht, jedenfalls für die meisten – der Anteil der Väter an den ErziehungsurlauberInnen stockt bei zwei Prozent, nur 13 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Männer.

Seit 1. Januar diesen Jahres haben Väter und Mütter einen gesetzlichen Anspruch, bis zu drei Jahre in den Erziehungsurlaub, die so genannte Elternzeit, zu gehen und dabei ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden oder weniger zu reduzieren – mit entsprechenden Lohneinbußen.

Bisher gebe es jedoch kaum Anträge von Vätern auf Elternzeit, heißt es in den Betrieben. Man wisse aber aus Untersuchungen, dass „rund 20 Prozent der Väter die ernsthafte Bereitschaft“ hätten, wenigstens einen Teil des Erziehungsurlaubs zu nehmen, erklärte Bergmann gestern. Woher also kommt die Doppelmoral, dass – auch von Männern – die „neuen Väter“ beschworen werden und im Alltag trotzdem meist die alte Arbeitsteilung herrscht?

Wenn das erste Kind zur Welt käme, „traditionalisiere“ sich häufig das Familiensystem, so der Sozialforscher Wassilios Fthenakis. In Untersuchungen zeigt sich, dass frisch gebackene Väter häufig mehr arbeiten als Männer ohne Kinder. Sie brauchen mehr Geld für den Familienunterhalt, weil die Frau zu Hause bleibt – und dies oft freiwillig. Ob der Vater dem Kind viel Zeit widme, hänge zwar auch von seinen Arbeitszeiten ab, „wesentlicher aber ist der Stress im Job“, so Fthenakis. Wer am Arbeitsplatz unter Konkurrenzdruck steht – und selbst auch dabei mitmacht –, der riskiert keine Pause.

Nur im öffentlichen Dienst, in dem die Jobs relativ gesichert und der Arbeitgeber anonym ist, finden sich vergleichsweise viele Teilzeit-Männer und Erziehungsurlauber. Auch in offenen Unternehmenskulturen, in denen die Männer wenig verdienen und somit auf das Gehalt der Partnerin angewiesen sind, ist die Bereitschaft der Männer zum Erziehungsurlaub und zur Teilzeit größer (siehe unten).

Die politischen Einflussmöglichkeiten jedenfalls sind begrenzt. Im viel zitierten Schweden beispielsweise bekommen Mutter oder Vater 75 Prozent des letzten Nettogehalts, wenn sie bis zu zwei Jahre in Erziehungsurlaub gehen. Einer dieser Monate verfällt, wenn der Mann ihn nicht nutzt. Die Folge: Ein Drittel der Väter nimmt zumindest diesen einen Erziehungsurlaubsmonat in Anspruch – eine gleichwertige Arbeitsteilung aber ist das noch lange nicht.