Traumhafte Seifenkiste

■ Die Stadt als Kabinett von Eitelkeiten und Sehnsüchten: Bishonen im 3001

Der deutsche Untertitel sagt alles: Beauty. Das ist durchaus als Programm zu verstehen: Regisseur Yonfan ist in Hongkong einer der bekanntesten Porträt- und Modefotografen, auf dem internationalen Parkett arbeitete er für Vogue oder Harper's Bazar und veröffentlichte mehrere Bildbände. Kein Wunder also, dass sich Bishonen wie aus dem Ei gepellt anschaut: stylish, einstellungsverliebt – und wenn es eine neue Währung in Yonfans Hongkong gäbe, dann wären es ganz sicher die Blicke, die seine narzistischen Protagonisten endlos austauschen, um die Stadt in ein verschachteltes Spiegelkabinett schwuler Eitelkeiten und Sehnsüchte zu verwandeln.

Getragen von der theatralischen Off-Stimme Brigitte Lins lernen wir den ersten seiner Protagonisten kennen, als er sich in einem Schaufenster betrachtet. Und auch Yonfans Ausgangspunkt, einer der kuriosesten Skandale der Stadtgeschichte, hat mit Schaulust ganz unmittelbar zu tun. In der Wohnung eines wohlhabenden Hobby-Fotografen fand man mehr als tausend Fotos von nur wenig bekleideten jungen Männern mit Knüppeln im Anschlag und in Polizeiuniformen. Das wäre für die Jungs von der Sitte nicht weiter spektakulär gewesen – hätte es sich nicht eben zum Teil um wirkliche Beamte gehandelt.

Drumherum erzählt Yonfan ein Beziehungsdrama, das man durchaus als Soap Opera bezeichnen kann, ohne ihm Unrecht zu tun. Da ist der enorm gut aussehende Jet (Stephen Fung), einer der belieb-testen und erfolgreichsten Stricher der Stadt. Und da ist Sam (Daniel Wu). Sam ist Polizist und sieht mindestens genauso gut aus wie Jet. Wo er auch in seiner feschen Uniform patrouilliert, verwandelt sich der Asphalt in einen Laufsteg. Jet, der noch nie verliebt war, verguckt sich in Sam.

Das könnte so schön sein, hätte Sam nicht ein Problem: Er will es allen recht machen, allen voran seinen Eltern, und führt deshalb ein Doppelleben. So sehen wir ihn, zusammen mit Jet, beim Abendessen mit den ahnungslosen Eltern. Die sind mächtig stolz auf ihren Sprössling: Kochen kann er sogar besser als die Mutter. Wenn Jet ihnen erzählt, er habe sich verliebt, dann bitten sie ihn, er solle das Mädchen doch einmal mitbringen. Und auch mit dem Sex hapert es ein wenig zwischen den beiden.

Nach und nach jedoch wird der anfangs so unschuldig dreinschauende Sam von seiner Vergangenheit eingeholt. In kompliziert ins Bild gesetzten Flashbacks tauchen der angehende Popstar K. S., der Pin-Up-Fotograf und andere Stricher auf – und gelegentlich droht selbst der Zuschauer in diesem visuellen Reigen der Erinnerung verloren zu gehen.

Was komödiantisch beginnt, gewinnt so zunehmend melancholische, geradezu traumhaft-irreale Qualitäten. Bishonen wirkt deshalb zwar arg konstruiert, verzichtet aber dankenswerter Weise auf jeglichen Moralismus, was einen selbst das unnötig tragische Ende vergessen lässt. Denn irgendwie musste Yonfan seine grundsympathische Seifenkiste ja runterkriegen. Und bunt ist sie allemal.

Tobias Nagl

 tägl. 20.30 Uhr, 3001