Der lange Abschied

Bea Trampenau war zwölf Jahre lang „Intervention“. Nun verlässt sie den Lesbenverein – ausgebrannt, aber beseelt  ■ Von Sandra Wilsdorf

Früher gab es Zwischentöne, „da haben sich einige eben einfach zurückgezogen“. Heute „laden die Eltern entweder die Freundin gleich ein oder streichen den Unterhalt“, sagt Bea Trampenau. Sie ist seit zwölf Jahren eine von 16 deutschen „Berufslesben“, wie sie es nennt. Sie hat den Lesbenverein „Intervention“ geprägt, sie war Intervention, auch wenn sie das nicht gerne hört. Nun geht sie, weil sie unter „Burn Out Syndrom“ leidet, will dem Thema aber erhalten bleiben.

In den zwölf Jahren hat sie 11.000 Frauen beraten und weiß, was sich verändert hat. „Mit Sicherheit lebt es sich als Lesbe heute leichter, die Toleranz ist größer geworden.“ Allerdings: „Ich habe das Gefühl, die Einzelfälle von Diskriminierung sind massiver geworden.“ Heute schicken Eltern ihre Töchter zu Umerziehungsseminaren oder drohen mit Zwangsheirat. Und erst kürzlich hätten Schulleitung und Kollegium einer Hamburger Schule beschlossen, ein lesbisches Mädchen dürfe bei ihnen kein Abitur machen. „Die Eltern hätten das mit ihr durchgefochten, aber sie hat gesagt, sie sei gar nicht lesbisch, sie sei in einen Jungen verliebt“, erzählt Bea Trampenau.

Den jungen Mädchen falle es heute leichter zu sagen, dass sie lesbisch sind. „Aber wenn sie sich morgen in einen Jungen verlieben, nennen sie sich wieder hetero“, wundert sich die 39-Jährige, der das früher als Verrat erschienen wäre. „Die Mädchen stehen zu mehr Facetten ihres Seins, aber das macht es auch unverbindlicher.“ Sie lebten so, dass sie jeden Tag zurücknehmen könnten, was sie gestern gesagt haben. „Die spotten über uns als Feminis-tinnen.“

Vielleicht ist auch deshalb Zeit, den Job anderen zu überlassen. „Ich bin ausgebrannt“, sagt Bea Trampenau. Sie möchte erst einmal sechs Wochen gar nichts tun. Und für danach ist sie „zuversichtlich, dass da etwas kommt“. Wie das manchmal so ist, erfüllen sich beim Abschied langgehegte Wünsche: Geld, Anerkennung, Öffentlichkeit. Die ARD Fernsehlotterie finanziert für zunächst anderthalb Jahre das Projekt „komsequer“ für Lesben über 25 Jahre (siehe Kasten). Und Bea Trampenau bekommt Briefe, Fotoalben, Dankbarkeit von allen Seiten. „Ich bin ganz beseelt und beglückt über die Wertschätzung“, sagt sie. Sie gehe mit einem guten Gefühl. „Zum ers-ten Mal seit Jahren ist die finanzielle Situation einigermaßen gesichert. Und es ist höchste Zeit zu gehen.“ Vor zwei Wochen dachte sie, sie hätte einen Herzinfarkt, „ich, die ich in zwölf Jahren niemals krank war“. Es war dann doch kein Infarkt, aber ein Signal. „Ich wollte eigentlich schon vor zwei Jahren gehen, aber es mussten erst die richtigen Frauen kommen.“

Die sind gefunden, und die Sozialpädagogin kann sich daran machen, die Gleichung Bea = Intervention aufzulösen und die Geschichte des Vereins zu dokumentieren, der als schwulesbisch begann und am Ende nur noch für junge Lesben zuständig war.

Sie lernte den gerade gegründeten Verein 1982 kennen. Damals war ihr seit zwei Jahren klar, dass Frauen sie mehr interessieren. „Ich hatte mal was mit Männern, aber ich fand die nicht so spannend.“ Als Schulsprecherin lernte sie als 18-Jährige bei einem Gewerkschaftsfest, dass es nicht nur Schwule, sondern auch Lesben gibt. „Das war mir bis dahin unklar.“ Sie fühlte sich instinktiv der Schwuleninitiative zugehörig und nannte sich erst einmal bi. Bea Trampenau bewegte sich, „ich habe gleich eine Gruppe gegründet“. Dann kam sie zu Intervention und arbeitete daran, eine Beratungsstelle für Schwule und Lesben aufzubauen. 1989 passierte, was sie für Utopie gehalten hatte: „Es gab Stellen.“ Sie bekam eine für das Projekt „sexualpädagogische Jugendarbeit mit homosexuellen Jugendlichen“. Der „Lesben/Frauentreff“ in St. Georg entstand. „1993 kam dann der ABM-Kahlschlag.“ Alle Stellen wurden gestrichen. „Wir haben demonstriert, Unterschriften gesammelt und sind überall hingegangen.“ Und: „Das war toll, 1993 war Kampf“, sagt Bea Trampenau, die mag, wenn Frauen richtig wütend sind. Der Erfolg: Die Stadt bewilligt eineinhalb feste Stellen für den Lesben/Frauentreff. Die Schwulen gehen leer aus und verlassen den Verein. Schwulenarbeit gebe es seitdem nur noch im Zusammenhang mit AIDS, kritisiert Bea Trampenau. Aber immerhin: „Es war toll, dass die Stadt zum ersten Mal Lesbenarbeit in den Haushalt aufgenommen hat.“ Aber es war auch zu wenig.

Mit Hilfe totaler Selbstausbeutung versuchen die zwei Frauen, Lesben und allen anderen aus Hamburg und Umgebung, die etwas über sie wissen wollen, zu helfen und zu raten. Aber dann kommen die Überfälle auf die neuen Räume im Karolinenviertel: „1996 und 97 hatten wir elf Einbrüche in 15 Monaten.“ Drei davon eindeutig antilesbisch. Einmal hat ein Mann nach einer Veranstaltung „keine Gewalt gegen Lesben“ einige der Frauen zusammengeschlagen. Ein anderes Mal hat einer den Ausgang der Büroräume blockiert. „Die Gewalt hat uns das Genick gebrochen“, sagt Bea Trampenau. Sie hat Wunden gerissen, Dynamik genommen, „wir waren nur noch fertig“. Das Projekt war am Ende.

Mit der Stadt haben sich die Frauen auf das geeinigt, was sie „Zielgruppeneinengung“ nennen. Fortan waren die eineinhalb Stellen nur noch für junge Lesben bis 25 Jahre zuständig. Der Frauen-/Lesbentreff wird 1998 geschlossen, das Junglesbenzentrum eröffnet. Damit es trotzdem für die älteren Lesben ein Angebot gibt, hat sich gleich nebenan das aus Spenden finanzierte Projekt „Bunte Lesben“ gegründet. Das war mehrmals kurz vor dem Ruin, bis jetzt die ARD Fernsehlotterie kam.

Intervention bleibt Bea Trampenau ehrenamtlich im Vorstand erhalten, sie wünscht dem Verein, dass die Stadt erkennt, dass auch Lesben über 25 eine Versorgung brauchen und dass Lesben in ihre eigene Infrastruktur investieren. „Ich glaube, es spenden mehr Lesben dem Tierschutzverein als Intervention.“

Intervention, Infos und Programm des Junglesbenzentrums 040/4304624