„Kann ich mich unterordnen?“

Marion Horn ist seit dem 1. Januar 2001 stellvertretende Chefredakteurin der „Bild“-Zeitung und damit die erste Frau auf der Kommandobrücke der auflagenstärksten Zeitung Deutschlands. Ein Gespräch über „lecker Mädchen“ und Prinzessinnen

Interview: ARNO FRANK

Marion Horn (35), ist seit dem 1. Januar 2001 stellvertretende Chefredakteurin der Bild in Hamburg. Ihre Karriere begann sie als Leiterin des Ratgeber-Ressorts des Springer-Blattes Bild der Frau. Seit 1992 war sie quasi durchgehend Chefredakteurin: Zunächst beim Magazin Wochenend, dann bei TV Hören und Sehen – und von 1998 bis 2000 bei der Hamburger Morgenpost. Zuletzt leitete sie die Entwicklungsredaktion eines neuen Springer-Frauenmagazins.

taz: Sie haben mal gesagt: „Alle Frauen, die ich kenne, sind anders als die in den Frauenzeitschriften. Keine Brokerin im Loft, und auch nicht die Frau mit dem 630-Mark-Job und dem geizigen Ehemann.“ Welche Frauen kennen Sie denn?

Marion Horn: Normale Menschen weiblichen Geschlechts. Sie verdienen ihr eigenes Geld und sind gerne eine Frau. Ich kenne keine, die morgens aufwachen und weinen, weil sie Frauen sind. Die meisten lästern mit hoher Wonne über Männer, lieben Sprüche wie: „Eine Frau, die so gut sein will wie’n Mann, hat einfach keinen Ehrgeiz.“ Aber sie lieben Männer – trotzdem.

Muss frau nicht Mann werden, um eine Medienkarriere wie die Ihre zu machen?

Nein. Es ist Quatsch, Menschen in männlich und weiblich einzusortieren. Wenn jemand ernsthaft behauptet, dass er die Menschen nach Sternzeichen beurteilt und nur Steinböcke einstellt, dann wird der in eine Klinik eingeliefert, und das ist auch richtig so. Wenn jemand noch verrückter ist und die Menschheit nur in zwei, nicht zwölf Gruppen einteilt, finden das viele ganz normal. Das ist doch irre.

Stichwort „Mädchen auf Seite 1“: Kennen Sie etwa solche Frauen?

Die Geld damit verdienen, sich auszuziehen? Nein.

Aber Sie suchen die Mädchen mit aus!

Ja, manchmal. Das Aussuchen findet direkt vor meiner Nase statt. Ich sitze einen Meter hinter dem Platz, an dem die Seite 1 gebaut wird. Da höre ich natürlich auch die Kommentare, die der eine oder andere Mann dazu ablässt. Und dabei kommt es natürlich schon mal vor, dass ich den Kollegen dafür würgen könnte. Wenn das Mädchen „zu frech“ sein könnte, dann werden natürlich auch die Frauen im Raum nach ihrer Meinung gefragt.

Aber wenn Sie Chefredakteurin der „Bild“ wären ...

... würde ich wahrscheinlich auch dafür sorgen, dass dort ein „lecker Mädchen“ abgebildet wird. Ich denke, dass auch Frauen lieber auf das Foto einer nackten Frau als auf das eines nackten Mannes gucken.

Es gibt aber die Macht der Bilder, es gibt die Macht der „Bild“. Reizt es Sie denn gar nicht, dieses Frauenbild zu ändern?

Ich bin der festen Überzeugung, dass jede Frau, die ihren Job ernst nimmt, auch etwas bewegt. Die Tatsache, dass es jetzt Frauen in der Bild-Chefredaktion gibt, führt dazu, dass Themen anders laufen als früher. Die Kollegen benehmen sich auch anders.

Wie macht sich das konkret bemerkbar?

Da wird der eine oder andere Witz verschluckt, da findet eine Änderung des Verhaltens, eine Sensibilisierung statt. Nach sechs Wochen mit Frauen in der Chefredaktion haben wir so lustige Diskussionen wie: „Ist Bild jetzt zu weiblich?“ Und wir streiten uns, auch das ist wichtig.

„Wir Frauen“, schrieben Sie mal, „bewunderten Babs Becker für ihre muskulösen Oberarme.“ Tun sie das wirklich?

Ein bisschen Selbstironie muss sein ... Natürlich raste ich aus, wenn man mir sagt: „Das ist ein gutes Auto, weil es einen tollen Schminkspiegel hat.“ Die Wahrheit ist aber: Ich bin fähig, mir ein Handy nach der Farbe auszusuchen. Es gibt eben Frauenmacken, über die sollte man auch grinsen und lachen dürfen. Ich will nicht berufsbetroffen sein müssen.

Sie haben also ein traditionelles Rollenverständnis?

Nein. Aber egal wie Frauen leben oder aufwachsen, uns wurden als Mädchen Märchen vorgelesen. Und ich kann mich an keines erinnern, in dem die Prinzessin die Kohle hatte oder den Prinzen aufgerissen hat. Oder dass sie hässlich war oder gerade in der Ausbildung steckte ...

Haben Sie als „erste Frau“ in der „Bild“-Chefetage mit männlichen Kommentaren zu kämpfen?

Erste Frau? Ich glaube, das stimmt gar nicht ...

Erste Frau seit Menschengedenken ...?

Spontan sind viele Frauen aus der Redaktion auf mich zugekommen und haben gesagt: „Wir freuen uns, dass da eine Frau sitzt, das wurde Zeit.“ Das war schön. Männer sind mir nicht negativ entgegengetreten. Manchmal meine ich, in Gesichtern Schmerz zu erkennen, dass die sich das von einer Frau gefallen lassen müssen.

Und das macht Ihnen nichts aus?

Nein, das macht mir sogar Spaß.

Ärgern Sie sich nicht manchmal – als Frau – über Ihre Zeitung?

Ist mir schon mal passiert, dass ich morgens reingeschaut habe, und dann gab’s da so Halbsätze, wo ich dachte, das geht nicht.

Bei der „Hamburger Morgenpost“ wurden Sie von den neuen Herausgebern recht unfreundlich vor die Tür gesetzt. Empfanden Sie das nicht als Mobbing?

Die haben mir ziemlich unverblümt gesagt: Diesen Job muss ein Mann machen. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mir so etwa passiert ist. Gemobbt würde ich das aber nicht nennen, weil es unterstellt, dass da eine Strategie dahintersteckte. Die waren einfach der Meinung, dass auf diesen Posten ein Kerl muss.

Sollte unbedingt eine Frau Vizechefredakteurin bei „Bild“ werden? Oder unbedingt eine Frau Horn?

Es ist natürlich schon eine strategische Geschichte, da Frauen dazwischenzusetzen. Das finde ich nicht weiter schlimm, auf diese Idee sollte man noch in ganz anderen Bereichen kommen. Ich bin selbstbewusst genug, um zu wissen, dass ich ein guter Journalist bin. Ob ich hier sitzen würde, wenn ich Herr Horn wäre? Ich weiß es nicht. Das müssen Sie Kai Diekmann fragen.

Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Kai Diekmann, Ihrem Chef?

Gut, denke ich, wir kennen uns ja noch nicht so lange. Ich war überrascht, dass er mich angesprochen hat, weil ich davon ausgehe, dass man ins Team meistens nur Leute holt, die man gut kennt. Aber weil ich schon seit Jahren auf der Eins gespielt habe, war für mich schon ein wichtiger Punkt: Kann ich mich überhaupt unterordnen?

Und, können Sie?

Es hat wohl jeder mal unter einem Chef gelitten und sich gefragt: Warum ist dieser Idiot auf dieser Position? Und selber den Beweis anzutreten, dass man mit Menschen auch anders umgehen kann, dass es denen dann auch mehr Spaß macht – das ist sehr schön. Wenn ich wüsste, dass ich mir irgendwo ein Team X zusammenstellen kann, dann wäre mir das Objekt auch wurscht. Wenn ich bei Bild mehr Stress als Spaß hätte, würde ich den Job auch nicht mehr machen.

Und im Privatleben der Karrierefrau?

Danke, ich bin auch privat sehr glücklich. Ich habe eine wunderbare Tochter und ich bin heftig verliebt.