Gegen Marx und Bengels

■ Die nicht mehr ganz junge Union „diskutiert“ über Marx- und Engelsstraße

Pastor Jens Motschmann könnte eigentlich zufrieden sein: Von seiner Martini-Kirche aus muss er nur über die Straße gehen, die auch den Namen des barmherzigen Martin trägt, und schon ist er in der Konrad-Adenauer-Stiftung, also wieder auf heimischem Territorium.

Aber der aufrechte Konservative will nun die Gunst der historischen Stunde nutzen und auch im fernen Habenhausen Ordnung schaffen: Dort haben die Sozis den zeitweiligen Bremer Friedrich Engels verewigt und, als ob das nicht genug wäre, seinen Co-Autor Marx dazu. Das, so Motschmann, darf nicht sein, seien beide doch üble Antisemiten gewesen und hätten in ihren Schriften zur Gewalt aufgerufen.

Ausgerechnet die Junge Union machte sich sein Anliegen zu eigen und lud nun zur Diskussion über ein „Denkmal für Karl Marx“. Herr Motschmann hat seinen Weg über die Straße nicht vergebens gemacht: Immerhin 33 Interessierte hat es zur Adenauer-Stiftung gezogen. Wie der christdemokratische Nachwuchs allerdings seine Werbung verteilt, dürfte auch Motschmann sich gefragt haben: Weit jenseits der 50 liegt das Durchschnittsalter des Publikums. Die wenigen Jung-Unionisten schieben sich anderthalb Stunden Liebesbriefe hin und her.

Nur ihr Chef Christian Conreder läuft zur Hochform auf: „Ein Gespenst geht um in Deutschland. Das Gespenst des Kommunismus,“ greift er ganz tief in die Propaganda-Mottenkiste. Eingeladen hat er Geisterjäger Konrad Löw. Der Münchner Professor für Verfassungsrecht hat eine wahre Fleißarbeit vollbracht: 42 Bände Marx-Engels-Werke hat er zweimal (!) durchgeackert und alle Stellen herausgeschrieben, die antisemitisch, gewaltverherrlichend oder beleidigend sind. Das hat für das 336-Seiten starke „Rotbuch der kommunistischen Ideologie“ gereicht. Einen Gegner hat er nicht an diesem Abend. Und daran ist ausgerechnet die taz Schuld, die den Bremer Historiker Immanuel Geiss zitiert hatte, Motschmanns Initiative sei ein „puristischer Bildersturm“.

Vor dem JU-Tribunal wollte der emeritierte Professor Marx nicht rehabilitieren. Im Gegenteil, er zeigte sich ordentlich erschrocken über die Scheußlichkeiten aus Marxens Feder. Marx habe er aber nie gemocht und kaum gelesen. Wie Kollege Löw beweist, muss das auch nichts nützen, denn auf Motschmanns inquisitorische Frage, für welche etwaigen Leistungen man Marx denn seine Verfehlungen vergeben könnte, fällt ihm nichts ein. Mit Persönlichkeiten wie Richard von Weizsäcker, Marion Gräfin Dönhoff und Michail Gorbatschow liegt er schon lange im Brief-Clinch, weil sie Marx zu den großen europäischen Denkern zählen. Schließlich sagt Löw, der seinen Vortrag auch schon in MarineRichter Filbingers rechtslastigem „Studienzentrum Weikersheim“ gehalten hat, das Entscheidende: Marx wäre für ihn erst der Anfang. Auch Nietzsche ist ihm wegen seiner Tiraden gegen alles Schwache unerträglich. Und zaghaft merkt Geiss an, auch in Luthers Schriften fänden sich Anti-Judaismen.

Wir hätten da noch ein paar Wa-ckelkandidaten: Wie wär's mit der Richard-Wagner- oder Kantstraße wegen Antisemitismus? Oder mit der Jahnstraße wegen des Chauvinismus des Turnvaters? Was ist mit den Angriffskriegern Hindenburg und Richthofen? Ja, selbst das Blut vom Beidhänder, mit dem der heilige Ansgar den Norden missionierte, dürfte schwer abzuwaschen sein. Und auf den Ansgarikirchhof möchten Sie doch sicher nicht verzichten, oder? Jan Kahlcke