die reinhaltung der sprache
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von WIGLAF DROSTE

Warum sind es immer die Halb- und Analphabeten, die sich zur Rettung der Sprache berufen fühlen? Eine Provinzputztruppe um den Berliner Innensenator Eckart Werthebach sehnt sich nach einer arielreinen deutschen Sprache. Wenn schon, zu ihrem Kummer, Deutschland nicht den Deutschen gehört, soll wenigstens die Sprache in die Hände derer fallen, die außer Verbieten und Verordnen nichts mit ihr anzufangen wissen.

Sprache ist Leben, und das macht den Sprachrechtlern Angst. Populistisch reden sie von „Überfremdung“ und sielen sich in einer angeblichen Lebensgefahr für Sprache und Kultur. Weil sie nicht Fantasie noch Mut besitzen, neben sich zu stehen und zuzusehen und -zuhören, wie sprach- und kulturlos es zugeht, wenn sie unter sich sind, geraten sie ganz aus dem Häuschen bei der Vorstellung, sie könnten die Sprache konservieren. Einkellern! Wegfrieren! In Formalin einlegen! Das sind die Zwangsvorstellungen aus dem Hause Ata.

Weil es so schön einfach ist und jeder deutschtümelnde Depp dann gleich nickt und lacht, kommen die Sprachschließer immer zuerst mit dem übermäßigen Gebrauch von Anglizismen angelaufen. Ein Schönes an der Sprache aber ist ja, dass sie spricht, dass sie verräterisch ist. Wenn jemand sagt, „wir drehen eine On-location-Sendung“, dann sagt das etwas über Sprecherin oder Sprecher. Wer dauernd von „events“ und „locations“ redet, spricht damit vor allem über sich und über seinen Wunsch, mit dabei zu sein, wo angeblich die Musik spielt. Wenn beispielsweise ein junger Mann, der gern ein großes Licht in der Veranstalterbranche wäre, nach einem Konzert sagt, er kenne in der Stadt aber noch „ein ganz anderes vennium“, dreht sich die Sache ins Komische. Vennium? Was meint er nur? Irgendwann dämmert es: Der junge Mann möchte eine andere „venue“ empfehlen, einen anderen Auftrittsort. Weil er aber zu jung, zu unsicher und deshalb zu blöde angeberisch ist, um das einfach mitzuteilen, verrät er viel mehr über sich, als ihm lieb sein kann. Und schenkt der deutschen Sprachfamilie noch ein neues Wort: Herzlich willkommen in der Welt, vennium!

Sprache fließt, und die Leute reden nun mal so, wie sie reden. Man muss nur zuhören können, dann erfährt man jede Menge. Ein Deutscher, der von „kids“ spricht, meint eben nicht Kinder, sondern kleine Erwachsene, frische Konsumenten, die in den „Kids-Klubs“ von McDonald’s herangezüchtet werden. Dabei ist Sprache eines von vielen Instrumenten.

Sprache ist eine Waffe, Sprache ist Macht, vielleicht die schönste und die gefährlichste, die es gibt. Wer die Sprache retten will, indem er sie in eine Zwangsjacke steckt, weiß nichts von ihr. Die sprachliche Putzteufel- und Kaltmamsellei, übrigens auch ein Steckenpferd Erich Honeckers, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wer der Sprache mit Domestos zu Leibe rücken will, soll nicht dauernd behaupten, dass er die Sprache so liebt. Er sieht sonst leicht aus wie ein Nekrophiler, der seine Geliebte erst töten muss, damit sie ihm zu Willen ist.