Lange Jahre Haft für Thomas Drach

Urteil im Prozess gegen den Entführer Jan Philipp Reemtsmas: Der Angeklagte wird voraussichtlich erst im Frühjahr 2012 wieder freikommen. Das Gericht lehnt eine anschließende Sicherheitsverwahrung ab. Drach gab keinen Kommentar ab

von JAN FEDDERSEN

Im Namen des Volkes weiß Thomas Drach seit gestern kurz nach zehn Uhr, wie lange er hinter Gittern sitzen wird: vierzehn Jahre und sechs Monate verhängte das Hamburger Landgericht gegen den 40-jährigen Mann aus Köln, angeklagt, im Frühjahr 1996 den Hamburger Philologen und Millionenerben Jan Philipp Reemtsma entführt und 33 Tage gefangen gehalten zu haben.

Drach nahm das Urteil fast desinteressiert hin, jedenfalls äußerlich. Richter Dietrich Preuß verzichtete darauf, ihn persönlich anzusprechen, aber er begründete sein Urteil ausführlich. Ein minder „schwerer Fall von erpresserischem Menschenraub“ liege nicht vor. Drach habe sich seines Opfers sehr lange bemächtigt. Bewaffnet mit einer Kalaschnikow habe er Reemtsma öfters mit dem Tode bedroht. Drachs Einlassung, niemals habe er vorgehabt, sein Opferumzubringen, wertete das Gericht als nichtig.

Zwar schenkte das Gericht Drach im Hinblick auf dessen Entschuldigung Reemtsma gegenüber Glauben, anerkannte auch sein fast vollständiges Geständnis als günstig im Sinne einer milderen Beurteilung seiner Person. Doch die Aussage Drachs, nicht er, sondern sein Kumpan, der bereits zu zehneinhalb Jahren verurteilte Wolfgang Koszics, habe die Idee zur Entführung Reemtsmas gehabt befand das Gericht für unglaubwürdig. Der Motor des Verbrechens, so Preuß sinngemäß, sei Drach gewesen, er habe jederzeit das Kommando der Aktion innegehabt.

Mildernd wertete das Landgericht den Umstand, dass Reemtsma während seiner Entführung „mit allen Standards“ versorgt worden sei, Essen, Wasser, Heizung, ein Schlafgemach.

Zur Frage der Anrechnung der Zeit in argentinischer Auslieferungshaft entschied das Gericht fast im Sinne der Staatsanwaltschaft. Anders als vom Angeklagten gefordert würden die zwei Jahre und vier Monate nicht im Verhältnis 3 zu 1 wegen der unwürdigen Knastbedingungen angerechnet, sondern nur in Relation 1,2 zu 1. Nur geringe Zeit in Lateinamerika seien die Haftverhältnisse schlimmer als in Deutschland gewesen, ansonsten habe Drach komfortabler als in einem deutschen Untersuchungsgefängnis ausharren müssen.

Zur Anregung von Johann Schwenn, Nebenklageanwalt Jan Philipp Reemtsmas, Drach nach Verbüßung seiner Haftstrafe in Sicherheitsverwahrung zu nehmen, meinte das Gericht, dass es hierfür keine Grundlage gebe. Es seien mehr als fünf Jahre von Drachs letzter Haftentlassung 1990 bis zur konkreten Tatplanung vergangen.

Drach will mit seinen Anwälten überlegen, ob er das Urteil annimmt. Staatsanwalt Peter Stechmann zeigte sich zufrieden: „Das ist das, was wir gefordert haben.“ Wie Schwenn und sein Mandant das Urteil aufnehmen, ist unbekannt. Reemtsma selbst blieb der Urteilsverkündung fern. Schwenn: „Das hat er schon bei den drei Prozessen gegen Drachs Komplizen so gehalten. Er wollte nur dabei sein, um zur Aufklärung des Verbrechens beizutragen.“

Das Gericht hat somit ein revisionsrisikoarmes Urteil getroffen. Es ist weder der Staatsanwaltschaft in Gänze gefolgt noch den Anträgen der Verteidigung des Angeklagten, die auf ein ähnliches Urteil wie das gegen Wolfgang Koszics, Drachs Kumpan, plädiert hat. Auch die Frage der Sicherheitsverwahrung wurde verneint. Dem Vernehmen nach prüft Reemtsmas Rechtsbeistand eine Teilrevision, um doch noch die Sicherheitsverwahrung Drachs vom Jahre 2012 an zu erlangen. Davon abgesehen, dass die Entschuldigung des Angeklagten Drach formelhaft geklungen habe, sei der Verbleib der 30 Millionen Mark Lösegeld nach wie vor ungeklärt.

Die Teilrevision bezöge sich demnach darauf, dass nach jetziger Rechtslage sich für Drach das Verbrechen gelohnt haben könnte: In Freiheit stünde ihm nichts entgegen, die womöglich in Immobilien angelegte Beute für einen wohlhabenden Lebensabend zu nutzen. Darüber hinaus müsste geklärt werden, ob Drach, komme er nicht an das Geld heran, nicht wiederum gefährlich für andere potenzielle Opfer werden könnte.

Thomas Drach ließ sich am Ende der anderthalbstündigen Urteilsverkündung kommentarlos abführen.