Auf gute Nachbarschaft

Wohnprojekte sind auch für diejenigen interessant, die unbedingt Eigentum bilden wollen. Eine Mischung mit Tücken  ■ Von Gernot Knödler

Das autofreie Wohnprojekt Saarlandstraße hat in mehrfacher Hinsicht Modellcharakter. Neben der Verpflichtung zum Verzicht aufs Auto hat es sich ökologische Standards gesetzt, Behinderte integriert, und als eines von wenigen in Hamburg verzahnt es unterschiedliche Eigentumsformen miteinander: Die Mieter der Wohnungsbaugenossenschaft Wohnwarft leben Wand an Wand mit den 18 Besitzern von Eigentumswohnungen, die ebenfalls zum Wohnprojekt gehören. Sie haben die autofreie Siedlung gemeinsam gestaltet, sie verwalten sie gemeinsam und müssen gemeinsam entscheiden, wie sich ihr kleines Viertel weiterentwickeln soll.

Josef Bura vom alternativen Projektentwickler Stattbau hält die enge Verzahnung von „Menschen mit unterschiedlichen Potentialen“ für gut, ganz gleich, ob sich das auf ihr Alter bezieht, ihre Lebensweise oder ihre finanziellen Möglichkeiten. Auf diese Weise entstünden lebendige Viertel urbaner Qualität.

Die stärkere Mischung von Eigentümern und Genossen, aber auch von Viel- und Geringverdienern, erweitert dabei nach Ansicht von Buras Kollege Reiner Schendel den Spielraum der Projekte. Wohlhabende Mitglieder könnten sich überproportional am Projekt beteiligen und damit weniger Wohlhabenden die Teilnahme sichern.

Dabei liegen die Vorteile eines Wohnprojekts auch für Eigentümer auf der Hand: Der Albtraum der isolierten Kleinfamilie im Häuschen auf der Grünen Wiese lässt sich vermeiden. Außerdem, sagt Josef Bura, habe ein Eigentümer normalerweise keinen Einfluss auf die Gestaltung des Umfeldes seiner Wohnung. Bei Wohnprojekten ist das anders.

Kommen Eigentümer und Genossen zusammen, ergeben sich allerdings automatisch Interessenkonflikte. „Es gibt eine unterschiedliche Art des Umgangs, je nachdem wie wirtschaftlich nah mir meine Wohnung ist“, formuliert Jörg-Michael Sohn, der eine Eigentumswohnung im Projekt Saarlandstraße besitzt.

Wie er erzählt, haben die TeilnehmerInnen des Projekts deshalb lange an Entscheidungsstrukturen getüftelt. Der Genossenschaft und den Eigentümern gehört das Grundstück gemeinsam. Es galt zu vermeiden, dass die eine Gruppe die andere majorisiert. Entscheidungen erfordern jeweils die Mehrheit der Quadratmeter und die Mehrheit der Stimmen, wobei die Genossenschaft als Eigentümer ebenso nur eine Stimme hat, wie die 18 Wohnungseigentümer.

Bisher läuft an der Saarlandstraße zwar alles bestens. Doch die komplizierten Lösungen, die hier gefunden wurden, bieten reichlich Gelegenheiten für Konflikte. Sohn ganz persönlich würde deshalb die beiden Gruppen besser trennen, wenn er noch einmal die Wahl hätte – bei aller Zufriedenheit und allem Stolz, die er für das Projekt Saarlandstraße empfindet.