Bremer Recht soll bremisch bleiben

■ Verfassungsrechtliche Probleme bei der Zusammenlegung von zu kleinen Fachgerichten. Mit Niedersachsen wollen die Bremer keine gemeinsame Sache machen

Bremens Gerichte sind zu teuer. Nicht, weil sie schlecht organisiert wären, aber für manche der so genannten Fachgerichte ist das kleinste Bundesland einfach zu klein. Das Landessozialgericht zum Beispiel wird so selten angerufen, dass seine eigenständige Existenz im Land Bremen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Überlegungen der vier Nordländer über eine Zusammenlegung scheiterten schon in den Siebzigerjahren. Für die Klientel der Sozialgerichte – häufig „kleine Leute“ – sei die räumliche Nähe zum Gericht wichtig, hieß es damals.

Justizstaatsrat Ulrich Mäurer hat deshalb mit seinem Niedersächsischen Kollegen ein wahrhaft salomonisches Konstrukt gefunden: Ein gemeinsames Landessozialgericht soll in Celle entstehen und eine Zweigstelle in Bremen erhalten. Dann könnte von Bremen aus die Nordwestregion versorgt werden, die Fallzahlen würden steigen. Präsident und Verwaltung gäbe es nur noch in einfacher Ausführung.

Für die anderen beiden Sorgenkinder, Oberverwaltungsgericht (OVG) und Finanzgericht, stand diese Lösung indes nicht Pate – obwohl das Argument der räumlichen Nähe nicht dasselbe Gewicht hat. In einem Bericht an den Rechtsausschuss begründet das Justizressort in bemerkenswerter Offenheit, warum die Gerichte rein bremisch bleiben müssen: „Weil das Oberverwaltungsgericht eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen hat, die für den Standort Bremen von zentraler Bedeutung sind.“ Deshalb sollten sie „von einem eigenständigen bremischen Gericht in Bremen selbst getroffen werden.“ Ähnliches gelte für das Finanzgericht: Weil „in diesem Bereich die Rechtsprechung unmittelbar steuerpolitische Interessen des Landes berühren kann, soll das Finanzgericht als bremisches Gericht bestehen bleiben“, heißt es in der Vorlage. „Das heißt nichts anderes, als dass einem in Hannover sitzenden gemeinsamen Gericht eine unabhängige Rechtssprechung nicht zugetraut wird“, kommentiert der grüne Bürgerschaftsabgeordnete Hermann Kuhn. Es werde suggeriert, „dass umgekehrt nur ein rein Bremer Gericht die Interessen des Standorts wahren würde – und wer definiert die wohl?“

Justizstaatsrat Mäurer strebt nun eine „Bremer Lösung“ an. Die beiden kostenträchtigen Gerichte sollen fusionieren: Ein gemeinsamer Präsident soll an der Spitze eines Richterkollegiums stehen, das nach Bedarf für beide Gerichte einsetzbar ist. Dagegen allerdings regt sich Widerspruch aus berufenem Munde: Ausgerechnet Mäurers Vorgänger Michael Göbel, heute selbst Richter am OVG, macht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Personalunion geltend: „Die funktionale Trennung schafft faktisch ein Stück ‚Gewaltenteilung« innerhalb der rechtsprechenden Gewalt“, die durch das Vorhaben bedroht sei. Außerdem gebe es keine Rechtsgrundlage für die doppelte Zuordnung von Richtern. Auch der zuständige ÖTV-Fachausschuss und die „Neue Richtervereinigung“ haben sich gegen die Pläne ausgesprochen.

Weitgehend unumstritten ist dagegen die räumliche Zusammenführung der beiden Gerichte im Rahmen eines zu schaffenden Justizzentrums, das räumliche und infrastrukturelle Einsparungen möglich machen würde. Ungeklärt ist nach wie vor die Standortfrage. Die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen hat sich wegen der Nähe zu Amts- und Landgericht für einen Umzug der Fachgerichte ins Gebäude der Kunsthochschule ausgesprochen, wenn die in den Speicher XI geht. „Unfug“, sagt Kuhn, „das Haus wurde aufwändig als Hochschulbau umgestaltet – mit Bundesmitteln, die bei einer Umwidmung zurückgezahlt werden müssten.“ Jan Kahlcke