Lachen und Verschwinden

Der Dreizehnjahresplan: Ein Jahr im Gefängnis, ein Jahr obdachlos in New York, ein Jahr jede Stunde die Stechuhr bedienen und ähnlicher Extremsport: Die Translated Acts im Haus der Kulturen der Welt stellen ostasiatische Performancekünstler vor

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Scheppernd klingt das Lachen, mit dem Gong Xin Wang sein eigenes Verschwinden begleitet. Im Video verliert sein Porträt nach und nach alle individuellen Züge. Der Mund verschwindet und mit ihm die Sprache; die Augen werden zu blinden Flecken, dann verdampft der ganze Kopf. Darüber aber hört man das Gelächter. Wang kommt aus Peking und da ist es um die Freiheit des Ausdrucks nicht gut bestellt. Also denke ich, es geht in „The Face“ um eine Metapher für Zensur, Wegsehen, Schweigen bis zur Selbstaufgabe. Doch weil er dem Verschwinden eine Form gibt, kann er am Ende lachen.

Aber Vorsicht! „Die westliche Kunstgeschichte ist in ihrem Verhältnis zu nichteuropäischen Kulturen nachhaltig gescheitert und neigt zu Fehlübertragung, Fehlinterpretation . . .“, schickt Yu Yeon Kim, die als Kuratorin die Translated Acts für das Haus der Kulturen der Welt und das Queens Museum in New York zusammengestellt hat, warnend voraus. Tatsächlich steht in der Erläuterung neben Wangs „Face“, dass er sich mit der „Bedeutungslosigkeit von Individualität“ beschäftigt. Damit übt seine Arbeit Kritik am westlichen Wahn der Profilierung und hält ihr die buddhistische Tugend des Aufgehens in allem Seienden entgegen. Glücklicherweise steht Wang diesem Bedeutungsgefälle gelassen gegenüber. „Ich genieße es immer, wenn andere meine Arbeit beschreiben und deuten, weil [. . .] eine künstlerische Arbeit ihr eigenes Recht hat [. . .], unabhängig von den ursprünglichen Vorstellungen des Künstlers und dem geografischen Kontext ihrer Entstehung.“

Translated Acts handelt bewusst von den Tücken der Übersetzung und Bedeutungsverlusten. Sie sind der Preis für die Kommunikation zwischen ungleichzeitigen Systemen und gegensätzlichen Weltbildern.

Zur Eröffnung schrieb Wenda Gu ein Gedicht in kalligrafischen Zeichen auf den Boden, das durch Übersetzung und Rückübertragung in keiner Sprache mehr zu Hause war. Jian Wei Wang organisierte während der Eröffnungsreden hinter einer Wand eine Gegeneröffnung, in der die Kunstwerke mit Zitaten von Mao und Marx abgesichert wurden und die mit dem lauten Absingen der Internationale endete. So parodierte er mit der Verschiebung der offiziellen Diktion ins Off, dass eine Kultur, die als unvorhersehbare Protestform entstand war, nun im Museum angelangt ist.

Fast 30 Künstler aus China, Japan, Korea, Taiwan und Exilländern nehmen an den Translated Acts teil. Der älteste unter ihnen, Tehching Hsieh, geboren 1950 in Taiwan, hat sein Leben in einem fast unfassbaren Ausmaß der Performance gewidmet. Zwischen seinem 36. und 49. Geburtstag folgte er einem 13-Jahres-Plan. Ein Jahr verbrachte er allein in einer Zelle, täglich nur einen Strich in die Wand ritzend. Ein Jahr lebte er als Obdachloser in New York, ohne je ein Gebäude oder eine U-Bahn zu betreten. Ein Jahr lang bediente er jede Stunde einmal eine Stechuhr. Er hat sich dem undifferenzierten Fluss der Zeit ausgesetzt und ihrer starren Reglementierung. Er hat den absoluten Rückzug nach innen und das unbarmherzige Ausgegrenztsein durchquert. Sein 13-Jahres-Plan hält der Erfahrung der Beschleunigung stand und der Ungleichzeitig des Nebeneinanders vom High-Tech-Zeitalter und einer Tradition, die in lebenszeitlichen Zyklen denkt.

Mit größerer Dramatik reagiert Chieh-jen Chen aus Taipeh auf die Brüche des postkolonialen Lebens. Seine Fotografien zeigen eine Inszenierung von Gewalt und Beschädigung, die einer exorzistischen Praxis gleicht. Ein Trauma von Verstümmelung und Versklavung ist diesen Bildern vorausgegangen. Seine Figuren scheinen von Kriegsschauplätzen und Massakern zu kommen; sie haben manchmal anstelle einer Waffe eine Kamera umgeschnallt.

Die Realität der Medien ist nicht nur eine virtuelle, schließlich stellen sie als Teil der Elektronikbranche einen der größten Wirtschaftsfaktoren in den Ländern Ostasiens. Hinter der ideologischen Macht Bilder stehen die Interessen von Konzernen. Dass die Medien Lebenszeit verschlingen und Erfahrungen an einen ungreifbaren Ort verschieben, thematisiert Hey-Yeun Jang aus Korea in ihrer Installation „Lebendig begraben“. In einer Nische aus Kunstrasen liegt ein Koffer, in dessen aufgeklapptem Deckel ein 8-mm-Film läuft. Zwischen Bildstörungen taucht manchmal ein Mund auf, der Filmbänder verschlingt oder ausspuckt. Die Grabesstimmung betont den Vampireffekt. Filme saugen uns aus.

Zu den Stichworten, die den andauernden Rassismus im Blick auf Asien repräsentieren, gehört der Sextourismus: Auch darauf geben die Translated Acts vielfältige Antworten. Zunächst einmal durch eine Bestätigung der Anziehung, eine große Attraktivität und Ästhetisierung der Körper in vielen der Fotografien. Dann durch überdrehte Pornos mit erhöhter Geschwindigkeit von Atta Kim, die das Klischee des erotischen Einfallsreichtums in eine ermüdende Übungsstrecke verwandeln. Die größte Ambiguität aber geht von den Fotosessions von Ma Liuming aus, der seinen androgynen Körper als Modell anbietet. Neben ihm nehmen fast alle Posen einen Ausdruck der Dominanz oder Unterwerfung an, der jede Hoffnung auf eine Gleichwertigkeit in Beziehung zunichte macht.

Weil sie über den Körper erzählen, kommen die Translated Acts uns nahe. Man weiß, dass man zu wenig weiß von dem spirituellen Hintergrund ihrer Herkunft. Die Stärke der Ausstellung aber ist, jenseits dieses Defizits genügend Bedeutungsvarianten anzubieten.

„Translated Acts“, Haus der Kulturender Welt, bis 6. Mai; 10. und 11. MärzPerformance- und Filmprogramm