Erwerbsfähigkeit gemindert

Die Berufsunfähigkeitsrente wurde abgeschafft. Wer seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, muss sich nach einem anderen Job umsehen. Wer schon Rente bezieht, genießt aber Vertrauensschutz. Dramatisch kann es für Jahrgänge ab 1961 werden

Viele haben es noch gar nicht gemerkt: Der Jahresanfang brachte eine Verschlechterung in Sachen Berufsunfähigkeit. Die bisherige Berufsunfähigkeitsrente wurde zum 1. Januar 2001 gestrichen und durch die Erwerbsminderungsrente ersetzt. Im Gerangel um die Rentenreform stand dieser kleine, aber bedeutsame Schritt eine Weile im Schatten der großen Politik. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) setzte damit durch, was der früherer CDU-Minister Norbert Blüm vergeblich versuchte.

Derzeit beziehen rund 1,9 Millionen Bundesbürger eine Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, jährlich kommen 200.000 Fälle hinzu, weiß man bei der Gesellschaft für Wirtschafts- und Finanzbetreuung. Statistiken zufolge muss jeder fünfte Arbeitnehmer vorzeitig seinen Beruf an den Nagel hängen. Schon vor dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ war die Lage für manche nicht allzu rosig. Wer noch im vergangenen Jahr krankheitsbedingt oder durch einen Unfall dauerhaft seinen Job aufgeben musste, erhielt in den alten Bundesländern durchschnittlich fast 1.700 Mark pro Monat, in den alten Ländern waren es knapp 1.300 Mark aus der Rentenkasse. Die bisherige Berufsunfähigkeitsrente wurde dann gezahlt, wenn jemand in seinem Beruf oder in einem vergleichbaren Beruf weniger als 50 Prozent tätig sein konnte. Wer nach Krankheit oder Unfall gar nicht mehr arbeiten konnte, erhielt die Erwerbsunfähigkeitsrente.

Für die Jahrgänge bis einschließlich 1960 gibt es allerdings „eine Vertrauensschutzregelung“, heißt es bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA). „Für diejenigen, die vor dem 2. 1. 61 geboren sind, gilt der ‚Berufsschutz‘ der bisherigen Rente wegen Berufsunfähigkeit weiter.“ Wenn weder der bisherige Beruf noch eine zumutbare andere Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden könne, besteht Berufsunfähigkeit. In diesem Fall gibt es die halbe Rente wegen Erwerbsminderung.

Dramatisch wird es für alle Jahrgänge ab 1961. Können sie in ihrem Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr tätig sein, erhalten sie statt der bisherigen Renten wegen „Berufsunfähigkeit“ und „Erwerbsunfähigkeit“ bei einem Rentenbeginn ab Januar 2001 Renten wegen „teilweiser und voller Erwerbsminderung“. Die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beträgt laut BfA „die Hälfte des erworbenen Rentenanspruchs“. Die „volle“ Rente wird immer dann gewährt, wenn wegen Krankheit oder Behinderung eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nur noch weniger als drei Stunden täglich ausgeübt werden kann. Bei der „halben“ Rente reicht das Leistungsvermögen aus, mindestens drei, aber keine sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Ausschlaggebend ist dabei allein die zeitliche Leistungsfähigkeit. Einen Berufsschutz gibt es mit dem neuen Recht nicht mehr. Allerdings wird nach wie vor die Lage auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt. „Liegt die Leistungsfähigkeit zwischen drei und unter sechs Stunden täglich und liegt bereits Arbeitslosigkeit vor oder gibt es keine entsprechenden Teilzeitarbeitsplätze“, erklärt man bei der BfA, „wird wegen des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes eine volle Rente wegen Erwerbsminderung gezahlt.“

Zudem werden die Renten wegen Erwerbsminderung grundsätzlich zeitlich befristet und längstens für drei Jahre gewährt. Diese Frist muss nach Ablauf verlängert werden. Nur wenn ohne jeden Zweifel feststeht, dass die Leistungsminderung nicht mehr behoben werden kann, ist die Bewilligung einer unbefristeten Rente möglich. Die Zahlung der befristeten Rente beginnt am Anfang des siebten Monats nach Eintritt der Leistungsminderung. Die Zeit bis dahin muss mit Kranken- oder Arbeitslosengeld überbrückt werden, schlimmstenfalls mit Sozialhilfe. Wer schon eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bezieht, ist vom neuen Recht nicht betroffen.

Der frühere Lebensstandard ist also nur aufrecht zu erhalten, wenn zur staatlichen Leistung eine private Berufsunfähigkeitsversicherung kommt. Sie kann grundsätzlich als eigene Police abgeschlossen werden oder im Verbund mit einer Lebens- oder Rentenversicherung. Das Angebot ist vielfältig. Da fällt es mitunter schwer, die passende Versicherung zu finden. Eine gute Entscheidungshilfe bietet Finanztest. Im vergangenen Jahr testete man insgesamt 111 verschiedene Produkte, immerhin 28 wurden mit „sehr gut“ bewertet. Untersucht wurde nicht in erster Linie der Preis, sondern die Leistung, die sich zusammensetzt aus „ausgewählten verbraucherrelevanten Versicherungsbedingungen“ und der „Art der Gesundheitsfragen aus dem Antragsformular“. Ausgehend von einem 30-jährigen Musterkunden wurden dabei jährliche Beiträge zwischen 600 und 1.500 Mark ermittelt, die anlegen muss, wer 2.000 Mark Berufsunfähigkeitsrente monatlich bis zum 60. Lebensjahr erhalten will und gleichzeitig das Todesfallrisiko mit 100.000 Mark absichern möchte. Ältere Kunden zahlen höhere Beiträge. Finanztest rät dabei zur Risikolebensversicherung mit angeschlossener Berufsunfähigkeitsversicherung. Ausdrücklich abgeraten wird von einer Kombination mit Kapitallebens- oder Altersrentenversicherung, da sie, will man vernünftige Ergebnisse erzielen, meist zu teuer sei. Einzig die beitragsfreie Altersvorsorge im Fall der Berufsunfähigkeit wäre eine Überlegung wert. Besser fahre aber, wer parallel dazu beispielsweise die so gesparten höheren Beiträge in einen Fondssparplan investiere. Die Höhe der Berufsunfähigkeitsrente muss dann nur so kalkuliert sein, dass man den Fonds im Invaliditätsfall noch bezahlen kann.

Oft entsteht Berufsunfähigkeit nicht von heute auf morgen, sondern schleichend. So kann eine akute Erkrankung beispielsweise auch nicht vorhersehbare Schäden nach sich ziehen, die letztlich zur Berufsunfähigkeit führen. Deshalb ist es wichtig, dass die Gesellschaft auch rückwirkend und bei verspätet angemeldeter Berufsunfähigkeit zahlt. Achtung: Verbraucherschützer empfehlen, nicht nur das Antragsformular nach bestem Wissen ehrlich auszufüllen, sondern unbedingt einen Zeugen zum Abschluss der Versicherung hinzu zu ziehen. ALO

„Finanztest“, Ausgabe 10/2000, Bezug über die Stiftung Warentest, Postfach 81 06 60, 70523 Stuttgart, 7 Mark (plus 3 Mark Versand). Eine Info-Broschüre „Reform der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit“ gibt es kostenlos bei der BfA, Tel. 0800/333 1919 (Mo.–Do. 9–19.30 Uhr, Fr. 9–13 Uhr), als Download unter www.bfa-berlin.de