Aktien zur richtigen Zeit

Gutes Stock-Picking setzt umfangreiche Vorarbeiten voraus. Privatanleger haben aber seltendie Möglichkeit, vor einem Aktienkauf gut zu recherchieren. Fonds sind darauf eingerichtet

Die Geschichte wird immer wieder gern erzählt: Ein Affe und ein Investmentprofi traten in einem Börsenspiel gegeneinander an. Während der Affe seine Anlageentscheidungen per Pfeilwurf auf den Kursteil einer Tageszeitung ermittelte und seine menschlichen Helfer die Werte, auf die er traf, anschließend kauften oder verkauften, setzte der Experte sein gesamtes Wissen und seine Erfahrung ein. Es nützte ihm nichts. Der Affe gewann, und die Schlussfolgerung war unvermeidlich: Man muss überhaupt keine Ahnung vom Aktienmarkt haben, um mit Profis gleichziehen zu können. Wer nach dem Zufallsprinzip handelt, kann die Experten schlagen.

Wer’s glaubt, ist selber schuld. Natürlich kann es Glückstreffer geben, und auch ein Laie kann manchmal gute Ergebnisse mit Aktiengeschäften erzielen. Auf lange Sicht entwickeln sich professionell gemanagte Portfolios, also beispielsweise Aktienfonds, aber deutlich besser als die meisten Depots von Amateuren. Einer der wesentlichen Gründe dafür lässt sich mit einem Stichwort festmachen: Stock-Picking – die gezielte Auswahl aussichtsreicher Aktien aus der breiten Masse der börsennotierten Titel. Das ist besonders wichtig, wenn die Märkte wie zurzeit seitwärts tendieren, sich also kein eindeutiger Trend festmachen lässt. Dann zählt eine solide Recherche bei der Aktienauswahl. Die erfordert Zeit und Kontakte.

Angenommen, ein Anleger konzentriert sich ausschließlich auf Standardwerte aus Euroland. Dann müsste er zumindest die 50 Aktien des Euro-Stoxx-50-Index im Blick haben, besser aber die rund 300 Titel des Euro-Stoxx-Index. Auf ähnlich viele Werte käme er beim Versuch, sein Vermögen über Investments am Neuen Markt zu steigern.

Der Kleinanleger kann nicht alle Werte im Blick behalten und so die besten Aktien des gesamten Marktes herauspicken. Die großen Fondsgesellschaften aber sind darauf eingerichtet. Sie bewältigen die anfallende Datenfülle durch Teamwork und High-Tech – und kontrollieren ihre Entscheidungen permanent. Dennoch unterscheiden sich ihre Arbeitsweisen grundlegend.

Wer für ein Aktienportfolio die beste Mischung aus Risiko und Ertrag finden will, muss sowohl die gesamtwirtschaftliche Entwicklung als auch einzelne Unternehmen analysieren. Die Fondsgesellschaft beginnt in einem ersten Schritt beim volkswirtschaftlichen Ganzen und untersucht, wie aussichtsreich verschiedene Branchen sind. Das Fondsmanagement beschränkt sich dabei nicht auf die aktuelle und die kurzfristige Situation einer Branche. Ziel ist vielmehr, Trends zu entdecken, bevor sie zum Allgemeingut werden.

Die ermittelten Ergebnisse vergleicht das Anlageteam mit der Gewichtung, die die einzelnen Branchen in einem Vergleichsindex haben, also beispielsweise dem Euro Stoxx 50. Daraus ergibt sich, ob eine Branche über-, unter- oder gleichgewichtet oder ob sie gar ganz aus dem Fonds genommen wird.

Schritt zwei gilt dem Blick von unten nach oben. Dabei geht es um die Frage, welche Aktien einer Branche tatsächlich am attraktivsten sind und mit welchem Gewicht sie die entsprechende Branche in dem Fonds repräsentieren. Fokussiert werden zunächst die Titel, die auch im Vergleichsindex vertreten sind. Die anderen Aktien werden daraufhin überprüft, ob sie attraktiver sind als diese Werte. Wenn ja, erhalten sie den Vorzug. So kommt ein deutscher Standardwerte-Fonds kaum an der Deutschen Telekom vorbei. Entscheidend ist dabei nur, wie viele Prozent des Anlagevolumens auf das Unternehmen entfallen.

Bleibt die Frage, mit welchen Methoden das Management die Attraktivität von Aktien ermittelt. Hier führen zum einen quantitative Faktoren weiter, die mittels Computerprogrammen verglichen werden: Die größte Rolle spielen dabei klassische Bewertungsfaktoren wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis eines Unternehmens, das Gewinnwachstum und die Entwicklung der Gewinnschätzungen.

Die Firmen, die diese Vorauswahl überstehen, überprüfen die Fondsexperten dann anhand weiterer Faktoren. Wichtigste Kriterien dabei: die Kompetenz des Managements, seine Leistungen in der Vergangenheit, seine Visionen, die Stellung des Unternehmens im Markt und die Unternehmensstory selbst. Dafür führen Fondsmanager regelmäßig Gespräche mit Vorstandsmitgliedern, nutzen Researchmaterial und pflegen Kontakte zu Aktienanalysten – den anderen Experten, die direkten Zugang zu Unternehmen haben. Wissen muss man dabei, welcher Analyst welcher Bank bei bestimmten Branchen besonders gut und wirklich unabhängig ist.

Bei allen Investmentstrategien spielt auch der Zeitaspekt eine wesentliche Rolle: Der längerfristige Trend mag stimmen; wenn die kurzfristige Nachrichtenlage dagegen spricht, werden bestimmte Aktien zunächst nicht das Potenzial entfalten, das sie haben. Darauf muss ein Fondsmanager reagieren. Das ist sein Job. Denn auch wenn einer Investmententscheidung eine Melange aus vielen Aspekten vorausgeht: Die letzte Entscheidung, welche Werte in einen Fonds kommen, trifft der Fondsmanager – und dafür benötigt er neben allem analytischen Geschick vor allem ein Gefühl für den Markt. ANDREAS WÖLFER

Der Autor ist Geschäftsführer der Activest Investmentgesellschaft mbH