Sieben auf einen Streich

Für den 1:0-Sieg über den PSV Eindhoven müssen sich die spielerisch schwachen Kaiserslauterer bei ihrem Torhüter bedanken. Der heißt Roman Weidenfeller und ist gerade mal 20 Jahre alt

von GÜNTER ROHRBACHER-LIST

Waren da nicht Sorgenfalten zu sehen auf der Stirn von Georg Koch, dem am Fuß verletzten Stammtorhüter des 1. FC Kaiserslautern? Gerade hatten die Pfälzer den favorisierten und spielerisch klar besseren PSV Eindhoven durch einen halb geschenkten Elfmeter, den Harry Koch in der 31. Minute verwandelt hatte, mit 1:0 besiegt. Und wenn Kaiserslautern zuletzt zu Hause zu null spielte, war hinterher meist Georg Koch der Held. Diesmal aber musste Koch mit für ihn ungewohnten Gefühlsschwankungen leben, denn im Tor des 1. FCK stand, zum zweiten Mal in einem Pflichtspiel erst, der 20 Jahre alte Roman Weidenfeller.

Dass Eric Gerets, der Trainer des PSV, anschließend so „sehr enttäuscht“ war, lag zuallererst und beinahe nur an dem jungen Keeper, der schon mit 16 Jahren aus dem Stadion Girod zu Nentershausen im kalten Westerwald, der Heimat der Eisbachtaler Sportfreunde, gen Betzenberg aufgebrochen war, um dort Profi zu werden. Ein überaus mutiger Plan, denn just zu der Zeit, im Sommer 1996, schlug auch ein Trainer namens Otto Rehhagel, der jungen Spielern eher misstrauisch begegnete, seine Zelte auf in der Pfalz. Und mit Gerry Ehrmann, Andreas Reinke und nun Georg Koch hat(te) der 1,88 m große Weidenfeller stets Kollegen vor sich, die sich selten eine Blöße gaben, außer sie waren verletzt, wie jetzt Koch.

Eric Gerets erhob „keinen Vorwurf“ gegen seine Mannschaft, die die klarsten Gelegenheiten zum Torschuss hatte. Aber der Belgier sagte: „Immer war dieser Torwart im Weg, das war schon Weltklasse.“ Und er machte sich bereits Gedanken über seine Strategie und die seiner Stürmer für das Rückspiel am nächsten Donnerstag. Sieben große Chancen auf einen Streich in etwas mehr als 90 Minuten wehrte Weidenfeller ab, doch zu viel Lob wollte der Wagemutige danach nicht an sich heranlassen. „Die Mannschaft hat überragend gekämpft und gut gestanden“, behauptete er immer wieder und verteilte an seine Vorderleute ein Lob, das sie so nicht verdient hatten. Denn die Zuordnung in der Abwehr des 1. FCK war miserabel – und hätte normalerweise zu mehreren Toren für den PSV Eindhoven führen müssen. Zumal die Lauterer, anders als im Achtelfinale gegen Slavia Prag, außer dem durch Hany Ramzy in der 62. Minute verpassten 2:0 keine richtige Torchance hatten.

Mit dem nun schon seit einiger Zeit gebetsmühlenartig vorgetragenen Jammer über die vielen verletzten, kranken und gesperrten Spieler allein lassen sich die Defizite aber nicht erklären. Auch Djorkaeff und Bjelica liefen zuletzt ihrer Form hinterher, und mit Klos und Schjönberg, der auf der Bank verzweifelte, war die Abwehr zuvor auch nicht sicherer. Da bleibt dem 1.FC Kaiserslautern nur der Rückgriff auf die gute Tradition, auf seine meist überdurchschnittlich guten Torhüter. Der Bogen spannt sich von Willi Hölz aus der Walter-Elf über Wolfgang Schnarr und den Schweden Ronnie Hellström bis hin zu den Heroen der jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart: Ehrmann, Reinke, Koch und jetzt nun eben Weidenfeller.

Beim Blick über die Grenzen, in die besseren Ligen Europas, zeigte es sich zuletzt bei Real Madrid, beim FC Barcelona und bei Leeds United, dass etablierte Torhüter zuweilen wie marode Denkmäler von heute auf morgen gestürzt werden können. In der Bundesliga tat dies vor gut einem Jahrzehnt Oliver Kahn, der beim Karlsruher SC Alexander Famulla keine Chance mehr ließ. Roman Weidenfeller hat solche Gedankenspiele derzeit gar nicht nötig, weil er Georg Koch wohl ohnehin für längere Zeit ersetzen muss. Spätestens gegen Ende dieser Saison aber könnte auch Andreas Brehme noch ein paar Sorgenfalten hinzubekommen. Was soll er dann nur tun mit zwei Torhütern von solcher Klasse, die beide ehrgeizig sind und sich gegenseitig im Wege stehen?

1. FC Kaiserslautern: Weidenfeller - Basler - Harry Koch, Ramzy - Buck, Ratinho, Hristow, Strasser - Klose, Lokvenc, Marschall (75. Grammozis)PSV Eindhoven: Waterreus - Ooijer (45. Faber), Hofland, Nikiforow, Heintze - Rommedahl, Lucius (65. Bruggink), De Jong, Vogel, Bouma (54. Kolkka) - KezmanZuschauer: 23.851; Tor: 1:0 Harry Koch (31./Foulelfmeter)