Hausmusik mit Johnny

Das Glück sieht aus wie ein Kartoffeldruck: Vanessa Paradis’ neue CD „Bliss“ ist der Versuch, den ehemaligen Kinderstar als gereifte Persönlichkeit und singende Familienmutter zu präsentieren

von OLIVER FUCHS

Das ist die Ballade von John und Vanessa. Er sagt: „Mein Leben war ohne Bedeutung – bis ich sie traf.“ Sie sagt: „Ich bin nie jemanden begegnet, der so schön ist wie er – innen wie außen.“

Über den Beginn der Liebe zwischen Johnny Depp, 36, und Vanessa Paradis, 28, ist wenig bekannt. Alles muss wahnsinnig schnell gegangen sein. Zu schnell, um es auf Fotos festzuhalten. Doch mittlerweile gibt es sichtbare Beweise, Ergebnisse dieser Liebe: Lily-Rose Melody Depp ist fast ein Jahr alt, ein zweites Baby unterwegs, und jetzt haben die Eltern auch eine gemeinsame Platte auf die Welt gebracht. Sie heißt „Bliss“, was man mit „Glück“ übersetzen kann, und die Ballade von John und Vanessa fehlt leider.

Ein Lied über die Liebe zwischen einem Amerikaner und einer Französin, einem gelegentlichen Hotelzimmerzertrümmerer und einer ehemaligen Lolita – das wäre poetisch gewesen. Weil aber alles so schnell ging (Schwangerschaft, Zusammenziehen an der Côte d’Azur, Französischlernen wegen der Schwiegereltern), überspringen sie auch beim Hausmusikabend ein paar Schritte und schreiben gleich holterdipolter Lieder übers erfüllte Familienleben. Auf „Bliss“ ist von so viel Elternglück die Rede, dass man meinen könnte, sie haben schon zehn Kinder großgezogen, mit denen sie sich super verstehen und die alle noch jedes Jahr mitkommen in den Wohnmobilurlaub.

Aber wir wollen fair sein: „Bliss“ ist das neue Album von Vanessa Paradis. Sie singt, sie hat komponiert und getextet und selbst produziert. Sie kann das alles allein, und doch hat sie in der Vergangenheit aufs Autorenprinzip nie großen Wert gelegt. Ihre Musik klang immer ein bisschen so, wie ihre jeweilige Umgebung meinte, dass Musik zu klingen hat. In ihrem Musikbiz-Onkel Didier hatte die 8-Jährige einen Fan und Förderer, er brachte sie in einer Talentshow im Fernsehen unter, und mit 14 war sie dann Nummer 1 in 14 Ländern. „Joe Le Taxi“ hieß das Lied, das sie mit einer Stimme vortrug, die nur aus Odol-Atem zu bestehen schien und ihr den Ruf einer Mini-Playback-Nymphe einbrachte, die das Kindchenschema als Waffe benutzt.

Nach einem Album mit Serge Gainsbourg war sie in Frankreich so verhasst, dass sie kurzzeitig nach New York zu Lenny Kravitz zog. Der nahm mit ihr „Vanessa Paradis“ auf, eine der schönsten peinlichen Lieblingsplatten aller Zeiten, rührend, voll Love und Peace und mit einer Extraportion Jingle-Jangle. Kravitz, der Überepigone, konnte endlich John Lennon, Lou Reed, Mick Jagger und Bob Dylan in einer Person sein, und Vanessa tanzte im Video mit Hippies im Himmel.

Jetzt ist Johnny Depp der Mann an ihrer Seite, auch künstlerisch. Sie drehen zusammen, er bringt ihr Gitarre bei. Offenbar pflegte Depp unbemerkt von aller Welt einen recht kunstliedhaften Musikgeschmack, der auf die neue Lebensgefährtin voll abfärbt. Zu viel Nähe kann schädlich sein! „Bliss“ ist folglich der irgendwie heldenhafte, aber unnötige Versuch, Vanessa Paradis als gereifte Persönlichkeit, ja als Diseuse zu installieren. Gleich zwei Songs spielen im Zirkusmilieu, es gibt ein Wiegenlied für das Baby, das mitunter, wenn die vielen Geigen, Celli und Posaunen schweigen, quäkt. Dass die Kinder von Musikern Schlaflieder komponiert bekommen, ist nicht nett. Kinder wollen nicht schlafen, Kinder wollen rumtollen und Quatsch machen!

Das Innenheft zur CD haben die musischen Eltern vermutlich selbst gebastelt und von Hand koloriert. Da sind zerlaufene Rotweinflecken zu sehen, getrocknete Blätter und allerlei Kartoffeldruckartiges. So sieht das Glück aus. Und so hört es sich an, so lala halt. Oder, wie es auf der Songliste heißt: „La la la song“.

Vanessa Paradis: „Bliss“ (Polymedia/Universal)