Biografie on demand

Enkelinnen wollen wissen, Großeltern wollen erzählen. Mitteilungsbedürfnis in eigener Sache haben auch Jubilare sowie Dreißigjährige in Lebenskrisen. Katrin Rohnstocks Medienbüro schreibt ihnen allen das Buch ihres Lebens: Erzähl mir deine Memoiren, ich binde sie in Gold. Auflage nach Absprache

von ANDREAS HERGETH

Als die Buchautorin und Journalistin Katrin Rohnstock vor drei Jahren an ihrer Stammtankstelle Sprit zapfte, fasste sich die Tankwartin ein Herz. Ihr Schwiegervater werde bald 65 Jahre alt, könne auf ein interessantes Leben zurückblicken, das bestimmt nicht die halbe Welt, aber doch seine Enkel interessieren würde. Ob sich daraus nicht ein Buch machen lasse?

„Damals hatte ich für so ein Projekt keine Zeit“, erinnert sich Katrin Rohnstock, „doch die Idee reizte mich.“ Seit Gründung ihres Medienbüros im Herbst 1998 bietet die Berlinerin einen deutschlandweit wohl einmaligen Service. Sie schreibt anderen Menschen das Buch ihres Lebens – und zwar ganz normalen Leuten: „Warum sollen sich nur Prominente in Memoiren verewigen? Lebensgeschichten von Otto Normalverbraucher sind genauso interessant, nicht für die Allgemeinheit, aber für Familie und Freunde.“

Im Sommer 1999 war das erste „Buch des Lebens“ gedruckt. Warum ein 86-jähriger Berliner die Höhen und Tiefen seines Werdeganges zwischen Buchdeckel gepresst sehen wollte, wird schon aus dem Titel klar: „Mein Leben, erzählt auf Wunsch meiner Enkelin.“ Katrin Rohnstock hatte dem alten Mann mit einem Aufnahmegerät in der Hand zugehört, und ihr Gegenüber hatte geplaudert, als säße ihm seine Enkelin gegenüber.

Die ersten drei Bücher inklusive der Interviews und anderer Arbeiten hat die 40-Jährige allein realisiert. Dann entwickelte die studierte Germanistin Richtlinien, wie man biografische Erzählungen lektoriert und bildete Mitarbeiter aus. Heute beschäftigt sie 20 Lektoren, hält Vorlesungen und Seminare zum autobiografischen Schreiben ab und bietet Workshops an, in denen die jahrtausendealte und zumindest hierzulande sehr aus der Mode gekommene Tradition des Geschichtenerzählens erlernt bzw. wiedererlernt werden kann.

In einem „Buch des Lebens“ stecken zwischen einem Viertel- und einem Dreivierteljahr Arbeit. Die meisten Erzählenden brauchen für ihr Leben sechs Stunden, manche mehr, der Rekord liegt bei einer Woche. Allein in die transkribierte erste Textfassung investieren die Lektoren 100 bis 200 Stunden. „Die Leute erzählen ihr Leben nicht linear, sondern assoziativ“, erklärt Katrin Rohnstock. „Erst erinnert man sich an den Bildungsweg, dann an das Arbeitsleben, dann an die Liebe. Wir sortieren und strukturieren einen riesigen Haufen Lebensstoff, um ihn dann in Kapitel einzuteilen.“

Feingefühl ist dabei vonnöten, soll doch die Eigenheit des Erzählenden erhalten bleiben. Deshalb geht das Manuskript noch einmal zum Auftraggeber zurück, dann folgen Endlektorat und grafische Gestaltung: „Die Leute haben die Ideen, wir setzen sie um.“ Moderne Technik macht es möglich: Die Diskette mit dem Text kommt in den PC, der Drucker vervielfältigt ihn auf hochwertigem Papier, die Bindung ist traditionell. Was alle bisherigen Ausgaben eint, sind die wie anno dazumal in Gold geprägten Titel der hergestellten Bücher.

So viel Aufwand kostet: Ein Buch des Lebens ist ab 5.000 Mark zu haben. Bislang sind 15 Bücher entstanden, 30 weitere sind in Arbeit. Es scheint, als löse Katrin Rohnstocks einfache wie geniale Idee bei vielen Menschen einen „Erzählstau“ auf. Die Anlässe sind verschieden: der Ruhestand, ein Jubiläum, die Silberhochzeit. Die Auflage schwankt zwischen einem einzigen, dem Testament beiliegenden Exemplar und 50 Ausgaben, der Durchschnitt liegt bei 20 Stück.

Meist wollen vor allem ältere Menschen ihre Lebensgeschichte geschrieben sehen, die bislang älteste Kundin war 93. Manchmal wollen aber auch Jüngere via „Buch des Lebens“ Bilanz ziehen, wie ein 36-Jähriger nach einer Lebenskrise: „Er hat sich frei erzählt“, erklärt Rohnstock: „Biografisches Erzählen kann Balsam für die Seele sein.“

Katrin Rohnstock Medienbüro, Prenzlauer Allee 217, Prenzlauer Berg, (0 30) 42 85 22 55. Infos: www.katrin-rohnstock.de. Workshop „Wie erzähle ich meine Lebensgeschichte“ am 24./25. März und 5./6. Mai (tel. Anmeldung)