auf der grünen insel regieren braune umschläge:
von RALF SOTSCHECK
Irland ist das Land der braunen Umschläge. Es gibt keine staatliche Transaktion, bei der nicht irgendwelche Schmiergelder gezahlt würden. Fianna Fáil, die Soldaten des Schicksals, haben die Grüne Insel seit den Dreißigerjahren mit kurzen Unterbrechungen regiert, viele ihrer hochrangigen Mitglieder haben es dank der braunen Umschläge – von Neidern „Korruption“ genannt – zu erheblichem Wohlstand gebracht.
Zu den Neidern gehört die größte Oppositionspartei Fine Gael, Stamm der Gaelen. Wer wollte es ihnen verdenken, dass sie auch mal an die Fleischtöpfe wollte. Und die Stammesgälen hatten Glück: Als sie 1995 an der Macht waren, wurde gerade die zweite irische Mobilfunklizenz vergeben – welch eine Gelegenheit! Fine Gael setzte die Lizenzgebühr für die Firma Esat auf 15 Millionen Pfund fest. Ein Schnäppchen, denn fünf Jahre später wurde Esat an die norwegische Telenor verkauft, und Esat-Chef Denis O’Brien verdiente dadurch 221 Millionen Pfund.
O’Brien war nicht undankbar. Hatte er im Vorfeld der Lizenzvergabe bereits 15.000 Pfund an Fine Gael gespendet, legte er sechs Wochen nach Inbetriebnahme von Esat nochmal 50.000 Dollar drauf. Vorsichtshalber bat er Telenor, den Scheck auszustellen, weil Esat im Hintergrund bleiben wollte. Es hätte ja sonst wie Bestechung ausgesehen. Und das sei ja Unfug, behauptet O’Brien: Telenor habe aus freien Stücken gezahlt, weil das Unternehmen „politische Kontakte unabhängig von Esat entwickeln“ wollte. Das ist eine neue Variante. Bisher haben dubiose Spender stets behauptet, dass sie „den demokratischen Prozess unterstützen“ wollten. Merkwürdig auch, dass Esat die Spende, mit der man angeblich gar nichts zu tun hatte, später an Telenor zurückzahlte.
Aber Fine Gael wollte das Geld gar nicht – jedenfalls nicht so direkt. Der damalige Fine-Gael-Chef John Bruton sagte, seine Partei habe erst 1998 erfahren, dass der Scheck von Telenor stammte. Bis dahin hatte man angenommen, dass es sich um eine persönliche Spende des Schatzmeisters David Austin gehandelt habe. Das Timing stimmt jedoch nicht. Austin hatte der Parteiführung erzählt, dass „irgendein Unternehmen, das mit Esat verbandelt ist, 50.000 Dollar in die Parteikasse gezahlt“ habe, aber Ehrenmann Bruton habe die Spende zurückgewiesen. „Das Geld soll bleiben, wo es ist“, habe er gesagt und diesen Satz als Beweis für die Ablehnung der Spende angeführt. Allerdings war das Geld damals bereits auf dem Privatkonto von Austin auf der Insel Jersey, einem Eldorado für Steuerhinterziehung und dunkle Geschäfte.
Ein Jahr später zahlte Austin das gereinigte Geld in Fine Gaels Parteikasse, und alle waren zufrieden. Bis die Sache nun aufflog. Fine Gael schickte geschwind einen Scheck über 50.000 Dollar an Telenor, um den Schaden wieder gutzumachen. Telenor schickte den Scheck weiter an Esat. Und Esat schickte ihn drei Monate später an Fine Gael zurück. So ein heißer Scheck kommt viel herum. Günstig nur, dass Austin in der Zwischenzeit verstorben ist. Tote sind eben immer die besten Sündenböcke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen