In Paris horcht alles auf Alfred Sirven

In Paris wird heute der Elf-Prozess fortgesetzt. Wird der ehemalige Vizechef des Unternehmens auspacken?

PARIS taz ■ Die Erwartungen sind groß, wenn heute, nach vierwöchiger Unterbrechung, der Pariser Elf-Prozess weitergeht. Denn neben den sechs bisherigen Angeklagten, darunter Exaußenminister Roland Dumas und Ex-Elf-Chef Loïk Le Floch-Prigent, wird auch Alfred Sirven in der Box sitzen, der Ex-Vize-Chef des französischen Mineralölkonzerns Elf, der einst von sich behauptete, er verfüge über genügend Belastungsmaterial, um die französische Republik „20-mal“ zu sprengen, und der Anfang Februar nach einer vierjährigen Flucht spektakulär auf den Philippinen verhaftet worden war.

Von Sirvens Verhalten hängt nicht nur der weitere Prozessverlauf, sondern auch das Schicksal seiner Mitangeklagten ab. Bis gestern deutete nichts darauf hin, dass der 74-jährige Alfred Sirven, der seit Anfang Februar in Paris einsitzt, auspacken wird. Er hat sich darauf beschränkt, vor dem Untersuchungsrichter Van Ruymbeke am 1. März eine Erklärung zu verlesen, aus der hervorgeht, dass er nicht die Absicht hat, über die Hintergründe des Verkaufs von sechs Kriegsschiffen an Taiwan zu sprechen. Er ließ auch durchblicken, dass er vor vier Jahren zur Flucht „ermuntert“ worden sei und „man“ ihm zugesichert habe, ihm werde „nichts geschehen“. Welche, mutmaßlich französischen, Autoritäten ihm solcherart zu einer Flucht und einem ruhigen Dasein auf den Philippinen verholfen haben, wollte er nicht sagen.

Dass Sirven notfalls schweigen kann, hat er er in seinem Leben oft bewiesen, zuletzt nach seiner spektakulären Verhaftung am 2. Februar auf den Philippinen. Da verweigerte er auf seiner Zwischenstation in Deutschland jede Auskunft gegenüber dem Bundestags-Untersuchungsausschuss über etwaige Elf-Zahlungen in schwarze Kassen der CDU.

Die Verteidigerin der Mitangeklagten Christine Deviers-Joncour, der früheren Freundin von Außenminister Dumas, die von Elf Kommissionen, Geschenke und sonstige Vorteile im Wert von 59 Millionen Francs erhalten hat – angeblich, um Lobbying bei „ihrem Minister“ zu machen –, ist davon überzeugt, dass der Prozess von heute an „seine Physiognomie ändert“. Vor allem, wenn Sirven spricht. „Dann“, so Rechtsanwältin Sophie Bottai, „können die anderen Angeklagten nicht mehr die Verantwortung für alle Übel auf ihn schieben. Dann wird sich zeigen, ob Loïk Le Floch-Prigent tatsächlich nicht darüber informiert war, dass Deviers-Joncour als Verbindungsfrau für Elf arbeitete, und ob er tatsächlich nichts über die Konten in der Schweiz wusste.“

Christine Deviers-Joncour, die ihre Liaison mit dem Außenminister und ihre Tätigkeit für Elf in mehreren Bestsellern, darunter einem mit dem reißerischen Titel: „Die Hure der Republik“, vermarktet hat, freute sich Anfang Februar demonstrativ über Sirvens erzwungene Rückkehr nach Frankreich. Ihre Verteidigerin Bottai: „Es wird sich zeigen, dass Madame Deviers-Joncour nur eine kleine Angestellte von Elf war. Aber dahinter steckt eine Staatsaffäre.“ DOROTHEA HAHN