Quartiers-Manager bringen Berlin auf Weltniveau

Die Durchtauscher

„Berlin 2000“ innoviert sich enerviert selbst. Das Geld dafür kommt von oben (Brüssel, Bonn, Berlin), die Ideen sollen aber von unten (Neukölln, Wedding, Wilmersdorf) kommen – und dazwischen moderieren die „Quartiers-Manager“ (QM). Sie sind aus den üppigen „Stadtteil-Vereinen“ der Siebzigerjahre und den Planungskonzepten „Bürgerbeteiligung“ hervorgegangen, wurden aber vor allem durch das Ausmagern der Verwaltungen mittels „Auslagern“ (an andere Träger) forciert.

Die Trägerschaft und die Konflikte, denen die QM gegenüberstehen, sind überall anders, auch wenn es stets darum geht, ihren Wirkungsbereich attraktiver zu machen. Den Wrangelkiez managte zuerst das altalternative GmbH-und ABM-Geflecht „Kirchbauhof“. Dann traten nach einer Neuausschreibung zwei mit frechen Flip-Charts ausgerüstete junge Frauen an, die eine ist Deutsch-Brasilianerin und die andere Türkin.

Manche QM sind vor allem mit Imagekorrektur beschäftigt. So versichert der QM Killewald aus Oberschöneweide der Öffentlichkeit ständig, es habe sich an seinem Wirkungsort bereits „gewaltig viel getan“. Tatsächlich aber klagen immer mehr Gewerbetreibende: „Man kriegt hier schlechte Laune und Kopfschmerzen.“ Und nachdem ganze Bürgerinitiativen gegen den QM vom Boxhagener Platz in Friedrichshain mobilisiert hatten, diskutierten die Kontrahenten ihre konfliktuösen Kiezkonzepte öffentlich. Die Berlinredaktion der taz moderierte. Dort, im dritten Stock der Kochstraße 18, hat man bereits eigene QM-Korrespondenten.

Am Helmholtzplatz im Prenzlauer Berg wollen die drumherum wohnenden Yuppies gerne die lauten Penner und Punker in der Mitte weghaben. QM in diesem unversöhnlichen Konflikt ist die ehemals alternative Sanierungsagesellschaft S.T.E.R.N. Für die Penner spricht die Ostphilosophin Sonja Kemnitz. Sie ist pessimistisch.

Es gibt 15 QM-„Einheiten“ in Berlin. Das Büro im Lützowviertel Südlicher Tiergarten, das aus drei Managern und mehreren freien Mitarbeitern besteht, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen. Zunächst entschärfte es mit Hilfe der dort schon lange aktiven Sozialarbeiterprojekte den dortigen Anwohnerkonflikt rund um den Fixerinnen- und Afrikanerinnen-Strich zwischen Kurfürsten- und Lützowstraße (bei um Möbel-Hübner) und dem damit zusammenhängenden nächtlichen Autoverkehr der Freier. Diese „Szene“ verlagert sich jetzt langsam woandershin. Anschließend sammelten die QM Ideen, wie man den „Durchtausch“ der Bewohner verlangsamen, d. h. die Wegzugsquote senken könnte – damit im Südlichen Tiergarten so etwas wie eine „Kiez-Identität“ entsteht. Das Ergebnis war, dass man den in Charlottenburg lebenden russischen Regisseur Victor Shulman engagierte, ein Konzept für eine „interkulturelle Bühne“ zu erstellen.

Victor Shulman schreibt darin: „Unser Ziel ist offensichtlich und deutlich: die Erhöhung der Attraktivität vom Kiez durch die Verbindung der aus 150 Staaten Gebürtigen, die hier wohnen. Wir wollen die Bewohner des Kiezes im Sinne der Kultur und des Alltags beheimaten.“ Die im Lützowviertel domizilierte Ausländerbeauftragte der Stadt Berlin, Frau Barbara John, hat dieses Konzept gerade als besonders viel versprechend bezeichnet.

Mein Augenarzt, Dr. Maung Maung Mra, der ebenfalls an der Potsdamer Straße wohnt, würde gerne zurück in seine Heimat Burma gehen, doch die Militärdiktatur lässt das nicht ratsam erscheinen, und seine Frau, eine Holländerin, würde sowieso lieber nach Amerika ziehen, bzw. weiterziehen. Aber natürlich hätten sie nichts dagegen, irgendwo etwas mehr „beheimatet“ zu sein – und gegen ein multikulturelles Theater-Festival, organisiert von Victor Shulman, hätten sie schon gleich gar nichts. Es soll auf mehreren Bühnen im Lützowviertel stattfinden, auf den Möbel-Hübner-Parkplätzen, den Fritzlar-Homberg-Schulhöfen, im Kulturzentrum „Pumpe“, im Hotel „Berlin“, im Gemeindehaus der Apostelkirche und auf fünf Straßenkreuzungen.

Allerdings müsse man „genau und behutsam das Verhältnis zwischen deutscher und nicht deutscher Teilnahme auf den Bühnen beachten“, betont Victor Shulman. Die deutsche Sprache soll dabei das „Medium“ sein. Einerseits sollen „möglichst viele Bewohner zur Mitwirkung“ bewegt werden, „gleichzeitig muss unser Fest (aber) nach Weltniveau streben“. Das heißt es werden „Profis“ auftreten, aber auch Laientheatergruppen, Theaterschul-Gruppen, Volkskunstgruppen und Chöre wie der der „Zwölf-Apostel-Gemeinde“.

Victor Shulman gibt zu, dass seine inhaltlichen Vorstellungen derzeit noch etwas russischlastig sind, aber er befinde sich ja auch noch am Anfang seiner Akquise und habe noch ein Jahr Zeit. Erst im Frühjahr 2002 soll dieser QM-Event über die Bühne gehen. Zuerst muss mal die Finanzierung gesichert sein.

HELMUT HÖGE