Schröder schrubbt Arbeitslose

Wie senkt man die Arbeitslosenzahlen? Indem man die Arbeitslosen verhaftet. Eingliederungspläne sollen Langzeitarbeitslose in Jobs hieven. Wer nicht spurt, bekommt weniger Geld. Arbeitslosenverbände: Das ist ein alter Hut, der nicht viel bringt

von ANNA HOLZSCHEITER

Die Regierung macht Dampf bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Diesen Eindruck sollte zumindest der jüngste Vorstoß aus dem Arbeitsministerium vermitteln: Der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres hatte angekündigt, Arbeitslose durch einen verpflichtenden „Eingliederungsplan“ wieder in das Arbeitsleben zu integrieren – ein Vorhaben, das bei der Opposition sofort auf Zustimmung stieß.

Allerdings: Das Konzept des Eingliederungsplans, den die Arbeitsämter zusammen mit dem Erwerbslosen erarbeiten, ist ein alter Hut. Schon im Januar 1998 waren Eingliederungspläne in das Sozialgesetzbuch (SGB) aufgenommen worden. Dort heißt es: „Das Arbeitsamt hat spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit zusammen mit dem Arbeitslosen festzustellen, durch welche Massnahmen, Leistungen oder eigene Bemühungen des Arbeitslosen eine drohende Langzeitarbeitlosigkeit vermieden werden kann.“ Neu ist lediglich, dass diese Regelung in Zukunft strikter gehandhabt werden soll: „Die Wiedereingliederung ist heute schon Praxis, aber man will das offensichtlich verpflichtender formulieren“, sagte ein Sprecher der Bundesanstalt für Arbeit (BA) der taz. Ein Gesetzentwurf zur Verschärfung der Eingliederungsmaßnahmen soll im Juni auf den parlamentarischen Weg gebracht werden, bestätigte das Arbeitsministerium.

Bundeskanzler Schröder hatte den Erfolg seiner Regierung zu Beginn seiner Amtszeit von der Senkung der Arbeitslosenzahlen abhängig gemacht. Nun will er dafür anscheinend die Arbeitslosen selber in die Mangel nehmen. Ein „neues Verhältnis zwischen Sozialpflichten und Sozialrechten“ solle mit dem Gesetzentwurf geschaffen werden, hatte Andres betont.

Gegen ein Recht auf Arbeit und einen individuelles Angebot zur Wiedereingliederung haben die Arbeitsloseninitiativen eigentlich gar nichts einzuwenden. „Wenn aber die Sozialpflicht so aussieht, dass der Erwerbslose in der Regel einen Job annehmen muss, dessen Bezahlung unter dem Existenzminimum liegt, dann ist das eine unmögliche Lösung“, sagte Marion Drögsler vom Arbeitslosenverband Deutschland. Für Angelika Beier vom Förderverein gewerkschaftlicher Arbeitslosenarbeit riecht das Vorhaben arg nach Populismus: „Diese Forderungen hinterlassen doch den Eindruck, dass die Arbeitslosen an allem Schuld sind. Manche haben bei uns fünf, sechs, sieben Qualifikationsmaßnahmen mitgemacht und finden immer noch keinen Job, weil es einfach keine Arbeitsplätze für sie gibt.“

Auch nach Meinung der Sozialexpertin der Grünen, Thea Dückert, wird das Problem der Arbeitslosigkeit von Seiten der SPD den Falschen aufgebürdet: Es gebe in der gegenwärtigen Praxis Defizite, diese seien aber der schlechten Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern anzulasten. „Was die Verpflichtungen der Arbeitslosen betrifft, sind die gegenwärtigen Gesetze völlig ausreichend.“

Zudem wird die geplante Neuregelung, die andeutet, dass bei der Arbeitslosigkeit künftig härter durchgegriffen werden soll, nicht viel bewirken: Der Anteil an „faulen“ oder „arbeitsunwilligen“ Beschäftigungslosen ist den Zahlen nach sehr gering. Von den rund 1,3 Millionen Langzeitarbeitslosen hätten sich im vergangenen Jahr nur etwa 75.000 geweigert, den Pflichten in ihrem persönlichen Eingliederungsplan nachzukommen, sagte der BA-Sprecher. Bei diesen Arbeitslosen wurde dann die Zahlung ihres Arbeitslosengeldes für ein halbes Jahr ausgesetzt.

Für die Arbeitsämter, in denen momentan ohnehin Stellen abgebaut werden, wäre die SGB-Änderung eine weitere Bürde. Im Moment seien die Arbeitsvermittler in Deutschland „gut belastet“, erklärte die BA. Konkret bedeutet das, dass ein Arbeitsvermittler im Arbeitsamt jährlich im Durchschnitt 1.800 Erwerbslose betreut. Das Bundesministerium für Arbeit konnte sich zu einer möglicherweise notwendigen Personalverstärkung nicht äußern.

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