Bund zieht Rechte an

Wehrbeauftragter Penner stellt Jahresbericht vor: Rechtsextreme Straftaten angestiegen. Frauen seien „im vorderen Leistungsbereich“

BERLIN taz ■ Unsanft wurden die Soldaten aus dem Schlaf gerissen: Ein betrunkener Obergefreiter wankte in die Mannschaftsunterkunft und wurde gegenüber einem ihrer Kameraden ausländischer Herkunft handgreiflich. „Was sucht dieser Nigger in einem deutschen Bett?“, rief er. „Der vergewaltigt unsere Mädchen. Unter Hitler wäre das nicht passiert.“ Der Zwischenfall blieb nicht ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet und leitete ein Ermittlungsverfahren ein.

Insgesamt 196 Vorkommnisse mit Verdacht auf rechtsextremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund wurden im Jahr 2000 in der Bundeswehr gemeldet: Das sind deutlich mehr als die 135 Meldungen vom Vorjahr, allerdings auch erheblich weniger als die 319 Zwischenfälle im Jahr 1998.

„Die Plage des Rechtsextremismus hat vor den Kasernentoren nicht Halt gemacht“, erklärte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Wilfried Penner (SPD), gestern bei der Vorstellung seines ersten Jahresberichts. Weniger als zehn Prozent der Zwischenfälle sind allerdings mit Gewalttaten verbunden: Die meisten Meldungen bezogen sich auf das Grölen nazistischer Lieder, auf ausländerfeindliche Äußerungen oder das Beschmieren von Toilettentüren mit rechtsextremistischen Zeichen und Parolen.

In diesem Zusammenhang wies der Wehrbeauftragte gestern darauf hin, dass „das Militärische generell“ mit seiner hierarchischen Struktur und der Vermittlung des Umgangs mit Gewalt und Waffen „natürliche Begehrlichkeiten beim Rechtsextremismus“ auslöse. Penner zeigte sich jedoch auch davon überzeugt, dass die militärische und die politische Führung der Bundeswehr sich ihrer besonderen Verantwortung „gerade bei der Meisterung dieses Themas“ bewusst seien.

Den umfassenden Einsatz von Frauen bewertete der Wehrbeauftragte positiv. Die Grundausbildung scheine „keine besonderen Schwierigkeiten“ zu bereiten. Die Frauen seien hoch motiviert und bei einzelnen Ausbildungsabschnitten „im vorderen Leistungsbereich“ vertreten gewesen. Der gelegentlichen Einschätzung von Soldatinnen, sie seien nur für den Mannschaftsdienst vorgesehen und würden von anderen Verwendungen abgehalten, wolle er nachgehen. Die weiteren Klagen der Soldaten reichen vom Beförderungsstau über Mängel im Zusammenhang mit der Sanitätsversorgung bis hin zur Notwendigkeit, den Wehrpflichtigen auch im Rahmen der neuen Struktur der Streitkräfte „die Legitimation und den Sinn ihres Dienstes plausibel zu vermitteln“.

Unmissverständlich hat sich der Wehrbeauftragte für eine Angleichung der Bezüge in den alten und in den neuen Bundesländern ausgesprochen. „Es bestehen Zweifel, ob die Streitkräfte diese Ungleichbehandlung auf längere Dauer noch werden aushalten können“, heißt es in dem Jahresbericht. Daher sei an das Parlament zu appellieren, „auf eine möglichst baldige Angleichung der Bezüge der Soldaten hinzuwirken“. BETTINA GAUS

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