Wo „Hannibal“ wie Kinderkram wirkt

■ Ostasien, die 23ste: Das Kino 46 beteiligt sich jetzt mit einer sehenswerten Ostasien-Filmreihe am Bremer Frühjahrsfestival und serviert die Berlinale-Geheimtipps

Gedacht ist der japanische Film „Radio no jikan“ („Radiozeit“) als eine unterhaltsame und witzige Komödie über die Zustände in einem Rundfunkstudio bei den Aufnahmen eines Hörspiels. Und keine Angst: Genau dies ist dem Regisseur Koki Mitani in seinem Werk, das jetzt im Kino 46 zu sehen ist, auch gelungen.

Vor zwei Jahren war „Radio no jikan“ der Publikumsliebling des Forums auf der Berlinale. Die ZuschauerInnen kringelten sich vor Lachen (obwohl sie die Pointen in Untertiteln lesen mussten), denn der japanische Humor ist hier genauso global verständlich wie einst in dem Nudelepos „Tampopo“. Aber vielleicht ganz unbeabsichtigt vom Regisseur, kann man den Film auch wie ein Lehrstück über die japanische Gesellschaft sehen. Alle Konflikte, alle dramaturgischen Verwicklungen basieren auf der extrem strengen Hierarchie und Rigidität, mit der JapanerInnen die Formen und Machtstrukturen respektieren. Wenn man zum Beispiel alle Entschuldigungen und Demutsgesten aus dem Film herausziehen würde, wäre er um mindestens ein Drittel kürzer. Der Film ist (zumindest für unsere Augen) dokumentarischer als intendiert, und dieser optische Mehrwert macht solch eine Filmreihe wie das „Festival des Ostasienfilms“, die vom 15. bis zum 26. 3. im Kino 46 zu sehen ist, so interessant für alle, die neugierig sind auf das ungefilterte Leben in anderen, fernen Ländern.

Ganz ähnlich kann man sich „The Audition“ von Takashi Miike ansehen. Dieser ist einerseits einer der international brillantesten Psychothriller der letzten Jahre, mit Schockeffekten, gegen die „Hannibal“ wie Kinderkram wirkt, und großem Mut des Regisseurs, der das Genremotiv der sich an Männern rächenden Frau so radikal zu Ende gedacht hat, wie es sich in Hollywood keiner trauen würde. Doch „The Audition“ zeigt auch ein genau beobachtetes, realistisches und detailreiches Bild vom Leben im Tokio von heute. So kann man etwa sehen, wie den JapanerInnen ihre Höflichkeitsgesten so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass sie sich unwillkürlich auch dann vor einem Gesprächspartner entschuldigend verneigen, wenn sie nur am Telefon mit ihm sprechen. Wahrscheinlich war dies für Schauspieler und Regisseur so selbstverständlich, dass sie selber es im Film gar nicht wahrnahmen, aber für uns ist es wieder ein erhellender Einblick.

Insgesamt vierzehn Filme werden in in den nächsten elf Tagen im Kino 46 gezeigt, darunter solche Großproduktionen wie das chinesische Historienepos „Der Kaiser und sein Attentäter“ von Chen Kaige, und der japanische Stummfilm „Die eine Seite des Wahnsinns“ von 1926, der fast vollständg in einer psychiatrischen Heilanstalt spielt. Während die Filmindustrie von Japan gerade eine Blüte erlebt und auch das chinesische Kino global sehr präsent ist, bleiben die kleinen, ärmeren Staaten Ostasiens dagegen auch cineastisch Entwicklungsländer. Da mussten die Organisatoren schon suchen, um (meist auch im Forumsprogramm der Berlinale) zeigenswerte Filme aus Burma, Indonesien oder den Philippinen zu finden. Der indonesische „Brief an einen Engel“ oder der in Deutschland produzierte „Our Burmese Days“ von Lindsey Merrison haben ein entsprechend niedriges Budget, und wirken dokumentarisch eher aus der Not der fehlenden Finanzkraft heraus, aber auch dies spiegelt ja die Verhältnisse in Ostasien akkurat wider.

Wilfried Hippen

Die genauen Spieldaten der durchweg als Originalfassungen mit Untertiteln gezeigten Filme stehen in der Kinotaz