Neues Berliner Leben

„Persönlich gesehen“: Migrantinnen erzählen von Deutschland. Eine Ausstellung

Einige Wörter muss man einfach draufhaben. Wörter, die man sich jeden Tag sagt und die nicht viel bedeuten. Das findet Jimin Mirhaba schnell heraus, als sie aus dem Iran nach Berlin kommt. „Guten Tag“, „auf Wiedersehen“, „danke schön“, „bitte schön“, das A und O jeden Plausches im Treppenhausflur, gehen ihr bald ebenso reibungslos von den Lippen wie den Einheimischen.

Dennoch passiert nichts in ihrem neuen Berliner Leben. Frau Mirhaba legt sich ein neues Outfit zu, geht mit blonden Haaren und blauen Kontaktlinsen durch die Straßen. Sie fühlt sich sicherer, aber einsam. Die Geschichte endet damit, dass sie sich zwei Fernseher anschafft, einen fürs Wohnzimmer, einen fürs Schlafzimmer. Ein neues Leben zwischen Rateshows und „Wetten dass . . . ?!“ nimmt seinen Lauf.

Diese Geschichte hat kein Zeitungsreporter mit Hang zum Sozialkitsch aufgeschrieben, sie stammt von Frau Mirhaba selbst. Sie steht auf der Schautafel der Ausstellung „Persönlich gesehen“, die Einblick in das Leben von Migrantinnen gewährt und ihre Sicht auf das fremde Land Deutschland wiedergibt. Es sind nicht alles traurige Geschichten. Frau L. aus der Ukraine erzählt in milderem Ton über ihre Jahre in Berlin. Ganze sieben sind es inzwischen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Ein Foto von ihr zeigt eine Frau am Fenster, durch das Licht fällt. Die 52-jährige Diplom-Ingenieurin hat sich in Berlin ganz gut eingerichtet. Die kleine Grünanlage am Brixplatz nennt sie „meinen Park“. Dort geht sie oft spazieren. Zum Glück „kaufen die Menschen hier die Blumen im Geschäft, statt sie in Parks oder Gärten zu pflücken“, anders als in ihrer Heimat, wo sich niemand um den Erhalt der Parks und Freizeitstätten kümmert. Richtig ins Schwärmen gerät sie, wenn sie von den „sauberen, guten Straßen, den schönen Schaufenstern von Geschäften, den geflegten Gärten“ erzählt. Nur für das Verhalten der Kinder in der U-Bahn hat sie nicht viel übrig. „Und die Erwachsenen in demselben Wagen, die dem kleinen Flegel keinen Verweis erteilen, weil sie Angst vor neuer Frechheit haben.“

Die Migrantinnen, die in der Ausstellung ihre Geschichte erzählen, leben in der Warteschleife oder haben sich für länger in Berlin eingerichtet. Oder sind, wie die 25-jährige Studentin Devzim Mutlu, als Kind von Einwanderern hier geboren. Wie fast alle anderen Berliner auch nervt sie der viele Hundekot in der Stadt und die unselige BVG.

Die Gründe, warum diese befragten Migrantinnen nach Berlin kamen, sind verschieden. Für die meisten war es die Suche nach Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Für Catherine J. war es die Liebe. Auch wollte die Simultandolmetscherin weg aus Rom. „Ich wollte irgendwohin, wo die Männer einen nicht auf der Straße nerven.“ In Deutschland fallen ihr die Frauen positiv auf, vor allem „ihre Unrasiertheit, ihr Umgang mit ihren Körpern.“ Als „Arbeitsmigrantin“ und „Kosmopolitin“ sieht sich dagegen Isin Gunes. „Ist es nicht schön, die Vielfalt in sich zu tragen?“ Seit 1973 ist Frau Gunes hier. Gerne erführe man noch, ob sie auch in anderen Ländern gelebt hat. MATTHIAS ECHTERHAGEN

„Persönlich gesehen. Migrantinnen, ihre Lebensgeschichten und ihre Sicht auf Deutschland“. Rathaus Charlottenburg, Otto-Suhr-Allee 100, Mo-Fr 8-18 Uhr, bis 25. März. Kommunale Galerie Wilmersdorf, Hohenzollerndamm 174-177, Mo-Fr 10-18 Uhr, bis 8. April.