Alles geht besser ohne die Icann

Die Initiative „beatnic“ bietet zwanzig neue deutschsprachige Endungen für Webadressen an

Monatelang hat die „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ (Icann) die Welt in Atem gehalten mit der Frage, ob und welche neuen „top-level-domains“ im Internet anerkannt werden sollten. Dutzende von Konferzen brüteten darüber, jede anständige Lokalzeitung sah sich verpflichtet, ihren Lesern zu erklären, was damit denn nun gemeint sei, was man gar unter dem „A-Root-Server“ zu verstehen habe, und zu vermitteln, warum nur eine Organistation wie die Icann in der Lage sei, dieses innerste Geheimnis einer fabelhaften Technik richtig zu behüten. Damit all dies außerdem der guten demokratischen Ordnung folge, fanden weltweite Wahlen statt, die ersten ihrer Art jemals, und gelegentlich war sogar von einer virtuellen Weltregierung die Rede.

Das Ergebnis sind sieben neue Endungen für Webadressen, von denen immer noch niemand weiß, wann sie denn nun tatsächlich zugelassen sind und wo sie angemeldet werden können. Im Direktorium der Icann sitzen fünf Mitglieder, die eine Onlinewahl gewannen, an der fast niemand teilnehmen konnte – einer von ihnen, der Vertreter Afrikas, verdankt sein Mandat ein paar hundert Stimmen.

Ob die neue Regierung der USA unter Präsident Bush diesem groben Unfung, den sich Berater von Bill Clinton ausdachten, ein Ende bereiten wird, wagt auch noch niemand vorauszusagen. Anzeichen dafür gibt es, der Congress murrt, noch wahrscheinlicher aber als eine Änderung der amerikanischen Internetpolitik ist, dass die tatsächlich notwendige Verwaltung des Internets nicht mehr allein von amerikanischen Interessen und Politikern bestimmt werden kann. Nicht zuletzt die Internetindustrie wusste immer schon besser als die Icann, dass es nicht den geringsten technischen Grund gibt, die Anzahl anerkannter Adressbestandteile künstlich knapp zu halten, noch dafür, ihre numerischen Referenzen auf einem einzigen, zentralen Server zu verwalten.

Auch die jüngste Welle der Peer-to-Peer-Netze hat diesen Umstand wieder deutlicher ins Bewusstsein gerückt. Aber seit langem schon versucht die „Open Root Server Confederation“ (www.open-rsc.org, ORSC), sinnvollere, flexiblere und schon in ihren technischen Grundlagen demokratischere Alternativen zum heutigen System der Domainnamen zu enzwickeln und öffentlich zu diskutieren.

Der Künstler Paul Garrin mit seinem „Name.Space“, aber auch einige eher kommerziell orientierte Unternehmen wie „Domain.god“ oder „New.net“ haben wiederholt versucht, eigene Namensräume anzubieten. Seit Ende vergangener Woche trägt diese Vorarbeit nun auch in Deutschland Früchte. Ab sofort ist es möglich, unter www.beat-nic.de völlig kostenlos neue Domainnamen anzumelden. Die von dem Informationsdienstleister „cube“ (cube.de) mitgegründete Initiative „beatnic“ bietet gleich zwanzig neue Endungen an, darunter so informative und nützliche wie „.buch“, „.auto“, „.oeko“. „musik“, „.edv“ oder schlicht, für den Hausgebrauch von Firmen: „.intern“.

Wo war das Problem? Icann-Funktionäre, aber auch der deutsche Dachverband der Internetprovider, „eco“, warnen vor einem drohenden Zerfall des Internets. Die Initiative „beatnic“ hält diese Befürchtungen zumindest für übertrieben. Zwar werden ihreTop-Levels heute tatsächlich nur auf Rechnern der ORSC verwaltet, diese Schranke ließe sich jedoch leicht aufheben. Was fehlt, ist lediglich die formale Anerkenung durch die Icann. Technisch wäre wohl nicht mehr als ein verteilter, aber konsistenter Verweis auf das ORSC-Netz notwendig. Lediglich die politischen Eigeninteressen der halbamtlichen Icann und die Profiterwartungen der wenigen bislang anerkannten Adressenvermarkter stehen dieser überfälligen Öffnung des Internets entgegen.

niklaus@taz.de