Nobelpreis aus der Badewanne

Wie lockt man Prominenz von Format ins provinzielle Baden-Baden? Karlheinz Kögel weiß es: Er schmeichelt den Großen mit einem Medienpreis, den kein Mensch braucht

BADEN-BADEN taz ■ In den feuchtwarmen Räumen der Caracalla-Thermen zu Baden-Baden war er vor nunmehr zehn Jahren gekeimt, dieser größenwahnsinnige Plan. Irgendwo zwischen Sauna, Dampfbad und Warmwasserbecken. Eine Party wolle er veranstalten, überlegte Karlheinz Kögel, Chef des Plattencharts- und Einschaltquoten-Ermittlers Media Control. Und zwar eine, zu der nur die prominentesten Prominenten geladen seien. Gute Idee, meinte sein Badepartner Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter von Daimler. 100 Gäste sollten es sein, überlegten die beiden weiter, und ein Preis müsse her.

Was sich anhört wie ein typischer Fall von zu heiß gebadet, hat sich als Geniestreich erwiesen. Zum mittlerweile neunten Mal verschenkte Media Control vorgestern eine bunte Keramikfigur namens Deutscher Medienpreis. Gerhard Schröder bekommt ihn, und die Prominenz sieht zu.

Die wahren Stars sind an diesem Abend jedoch Bill Clinton und Nelson Mandela. Mandela hatte den Preis bereits 1998 bekommen. Um nun noch einmal einer Verleihung beizuwohnen, war er extra aus Seoul angereist. „Das ist kein Opfer für mich“, betonte Mandela in seiner Rede. Während er freiwillig kam, stand Clinton in der Pflicht: Er war im vergangenen Jahr für preiswürdig befunden worden. Und hatte Kögel kräftig ins Schwitzen gebracht: Erst hieß es, Clinton wolle den Preis gar nicht. Das gab’s noch nie: Mitterrand, Jelzin, Arafat – alle waren bisher der Einladung gefolgt. Dann plötzlich wollte der Präsident, doch erst fand sich gar kein Termin, dann nur einer im Oval Office. Kögel flog also hin, überreichte das Keramikdings und Clinton musste geloben, sich dafür persönlich in Baden-Baden zu bedanken.

Karlheinz Kögel hatt es wieder einmal geschafft. So wie er es immer geschafft hat: mit viel Energie und oft auf seltsam verschlungenen Wegen. Der Schulabbrecher und gelernte Schreiner war nach Abendgymnasium und ein paar Semestern BWL als Musikmoderator beim SWF gelandet. Vor 25 Jahren gründete er Media Control – heute besitzt er 15 Firmen. Und zudem die Gabe, die Großen der Welt mit einem eigentlich bedeutungslosen Preis anzulocken. Dank hervorragender Kontakte, die den Medienpreis inzwischen zu einem Selbstläufer gemacht haben. Als hätte diese undotierte Auszeichnung den gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Anspruch eines Nobelpreises, als würde sie in der Paulskirche verliehen oder während einer Fernsehgala wie die Goldene Kamera.

Und dann entbehrt dieser Preis auch noch jeglicher Kriterien, warum ihn jemand bekommen sollte. Bekommt einen Medienpreis nicht jemand, der bei einem Medium arbeitet? Das war nur bei der ersten Verleihung so, 1992 bei RTL-Chef Helmut Thoma. Im Jahr darauf ging der Preis an Helmut Kohl, seither traditionell an Politiker.

Die Begründungen fallen recht unterschiedlich aus. Zwar stellt Media Control stets die gleiche Frage: Wer hat im vergangenen Jahr dem Zeitgeist am prägnantesten seinen Stempel aufgedrückt? Aus einer Liste müssen die Chefredakteure der einflussreichsten deutschen Medien einen Namen auswählen. Manchmal loben sie die Inhalte, manchmal die Verpackung. An Clinton gefiel etwa, dass er sich um die Menschenrechte verdient gemacht habe – was manche angesichts seiner Kosovo- und Irak-Politik nicht nachvollziehen konnten. Über Schröder heißt es in diesem Jahr, er zeige eine neue Form im Umgang mit der Macht, den Menschen und den Medien. Was dem einen sein Friedenspreis, ist dem andern also sein Bambi. Aber mal ehrlich: Auf den Preis selbst kommt es bei dieser Veranstaltung am wenigsten an.

ALEXANDER KÜHN