Keine hinreichende Organisationssicherheit

Selbst wenn die Zwangsarbeiter-Stiftung die Entschädigungen endlich auszahlen könnte, gäbe es noch einige Hindernisse zu überwinden

BERLIN taz ■ Noch bevor die Stiftungsinitiative der Wirtschaft gestern Abend zur Krisensitzung im Kanzleramt antrat, hatte sie die Rahmenbedingungen für das Gespräch entscheidend verbessert: Die fünf Milliarden Mark für die Zwangsarbeiter-Entschädigung stünden bereit, vermeldete der Vorsitzende der Initiative, DaimlerChrysler-Finanzvorstand Manfred Gentz, am Dienstagabend. Die Gründerfirmen hätten ihren Beitrag aufgestockt und zudem eine Ausfallgarantie übernommen. Allein, die Stiftungsinitiative weigert sich bisher, das Geld auch auf das Konto der Entschädigungsstiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ zu überweisen. Genau das fordert aber die US-Richterin Shirley Kram, und es ist nicht zu erwarten, dass sie sich mit der bloßen Ankündigung der Stiftungsinitiative zufrieden geben wird.

Doch diese verweist auf die fünf Einzelklagen, die noch in der Berufung sind. Damit wäre der Plan gefährdet, die Rechtssicherheit noch vor der Mitte Juli beginnenden Sommerpause des Bundestags festzustellen. Vertreter der Bundestagsfraktionen beharrten dagegen bislang darauf, dass mit der New Yorker Sammelklage die letzte Hürde genommen sei. Beim Gespräch mit dem Kanzler gestern Abend dürfte es vor allem um die Definition von „ausreichender Rechtssicherheit“ gegangen sein, wie sie das Gesetz fordert.

Solange diese Frage nicht geklärt ist, sind auch der Bundesstiftung die Hände gebunden. Auszahlen kann sie nur, wenn der Bundestag den Schutz deutscher Firmen festgestellt hat. Doch die Vorbereitungen der Stiftung für die Entschädigung laufen auf Hochtouren. Die Verträge mit den sieben Partnerorganisationen, zuständig für die Auszahlung vor Ort, sind inzwischen unter Dach und Fach. Nur mit der russischen Stiftung gibt es noch Dissens darüber, welche Bank die Abwicklung der Gelder übernehmen soll. Die Vorsicht der Deutschen hat ihren Grund: Zwischen 1994 und 2000 sind mehr als 80 Millionen Mark aus den Kassen der russischen Stiftung verschwunden. Allein der Zusammenbruch der Tweruniwersalbank kostete die Russen 42 Millionen Mark.

Mit insgesamt einer Million Leistungsberechtigter rechnet die Bundesstiftung. Die Anträge der Opfer müssen vor der Auszahlung von ihr geprüft werden. Laut Gesetz müssen die früheren Zwangsarbeiter ihre Ansprüche durch Unterlagen nachweisen. Die Beschaffung der Nachweise ist Aufgabe der Partnerorganisationen vor Ort. Doch deren Informationspolitik ist schlecht. Das Ergebnis: Viele Opfer schicken ihre Anfragen direkt nach Deutschland. „Das läuft bisher ziemlich unkoordiniert“, bedauert Charles-Claude Biedermann vom Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes in Bad Arolsen. „Die Opfer schreiben an Gedenkstätten, Archive, Einwohnermeldeämter.“

Die Bundesstiftung, fordert Lothar Evers vom Bundesverband der NS-Verfolgten, müsse den Partnerorganisationen klar machen, dass die Nachweispflicht bei ihnen liegt. Geplant ist nun eine zentrale Koordinierungsstelle: Die Partnerorganisationen sollen ihre Anfragen nach Arolsen schicken. Wenn sich auch dort keine Dokumente finden, werden diese an die Archivverwaltungen der Bundesländer weitergeleitet. Diese sollen die Anfragen an kommunale oder Firmenarchive weiterleiten.

NICOLE MASCHLER