Der Sprühling kommt

■ Eröffnung im Kulturhaus Eppendorf: Ausstellung Graffiti-Fotos

Graffiti ist für viele Bürger eine unselige Erbschaft der 70er Jahre. Der Unversöhnlichkeit um die Sache gemäß wird es von Leuten, die einfarbige Hauswände lieber mögen, auch schon mal „Optischer Terrorismus“ genannt. Diesen geht es dabei um nichts geringeres als das Stadtbild, wie es nach innen und außen repräsentiert werden soll. Graffitis gelten ihnen als Anschläge, deren Bereinigung mit hohen Kosten verbunden sind.

Ein Ermittler der Polizei-Soko Graffiti erklärte jüngst in der taz hamburg-Beilage „Jugendstil“ die politische Semiotik. Graffiti werde von den meisten Leuten als Unsauberkeit gelesen, und das schade nicht nur massiv dem Wirtschaftsstandort, sondern die Menschen würden auch Ängste entwickeln. Ja, das Verbrechen ist nie weit, wo die Ordnung die Oberflächen nicht beherrscht. Das leuchtet sofort ein, denn Sprühen soll ja selbst eins sein. Den entsprechenden Jugendlichen ist das häufig freilich schnurz. Sie repräsentieren mit ihren Bildern keine politische Ordnung, sondern sich selbst. Es kickt ganz einfach, sagt ein Sprayer, sich bekannt zu machen und dabei auch noch kreativ entfalten zu können.

Phil One hätte gerne mehr legale Flächen zum Sprühen. Er ist bereits zweimal erwischt worden und kann sich illegal kaum noch was erlauben. Am letzten Montag hat er in einer denkbar harmlosen und hochlegalen Aktion zusammen mit anderen aus der Szene einen langen Bauzaun in Eppendorf besprüht. Das dortige Kulturhaus lud gemeinsam mit dem Hamburger HipHop Verein zum Pressetermin, um dieser Veranstaltung im Freien beizuwohnen. Anspruch der gesponsorten Wandverschönerung sei, die verhärteten Fronten aufzuweichen und Vermittlungsarbeit zu leisten, erklärt Verena Ziegler vom Kulturhaus. „Farbe bekennen gegen Hass und Gewalt“ heißt der Slogan für diese Aktion, den Phil One aufgreift: Es sei doch angesichts der Trostlosigkeit der sozialen Verhältnisse vieler Jugendlicher besser, sich auf diese Weise zu kultivieren, als gewalttätig zu sein. Für ihn persönlich sei Graffiti unlösbar mit einem Selbstfindungsprozess verbunden.

Neben dieser Aktion soll heute Abend um 19 Uhr im Kulturhaus Eppendorf eine Fotoausstellung zum Thema Graffiti in Hamburg eröffnet werden. Der Hobbyfotograf Mario Nitsche war mehrere Jahre im Hamburger Innenstadtbereich unterwegs, um Graffitis zu fotografieren, und bemüht sich ebenfalls darum, der Kriminalisierung einer ganzen Jugendszene entgegen zu wirken. Weil es ein großes Anliegen der Beteiligten ist, um mehr Akzeptanz für Graffiti und legale Möglichkeiten zu werben, wird am 22. März um 19.30 Uhr im Kulturhaus eine Podiumsdiskussion stattfinden. Es haben Personen zugesagt, die aus ganz verschiedenen Perspektiven mit Graffiti befasst sind: Unter anderen ein Vertreter der Polizei-Soko Graffiti, ein professioneller Graffitientferner und eine Vertreterin des Hip Hop Vereins. Sebastian Schinkel