piwik no script img

Verbal minimal

Tagen reger Redseligkeit folgt stilles Genießen nach Bayerns 1:0 in der Champions League gegen Arsenal

MÜNCHEN taz ■ Die Entspannung zeigte sich in kleinen Gesten. Als das Spiel abgepfiffen wurde, bückte sich Oliver Kahn und hob mit ernster Miene seine Ersatzhandschuhe auf, die hinter ihm im Tornetz lagen. Kurz ballte er seine rechte Hand dabei zu einer Faust, so wie es Boris Becker einst getan hatte. Dann drehte er sich um und ging in Richtung Umkleidekabine, wo, wie der gelb gesperrte Stefan Effenberg hernach berichtete, „alle schon wieder gelacht“ hätten. Im Gegensatz zu der Stimmung zwei Stunden zuvor. „Da herrschte große Anspannung“, so der Kapitän. Was ein 1:0 des FC Bayern München am Mittwoch gegen ein harmloses Arsenal London in der Champions League alles bewirken kann.

Aber klar: Das Viertelfinale der Königsklasse war erreicht, auf unspektakuläre Weise zwar, weil Giovane Elber bereits nach zehn Minuten einköpfelte und auch Gruppen-Konkurrent Olympique Lyon, das mit einem Sieg bei Spartak Moskau noch hätte gefährlich werden können, früh zurücklag und nur ein 1:1 schaffte. Aber wen interessierte das schon bei den Münchnern, die in den letzten Wochen viel zu reden und wenig zu lachen hatten. „Es war ein wunderbares Fußballspiel“, frohlockte deshalb Uli Hoeneß, der Manager, und wollte gar nicht mehr an die jüngsten Ereignisse erinnert werden. Etwa an die umstrittene Rede von Klub-Präsident Franz Beckenbauer, als der öffentlich seine Spieler nach dem 0:3 in Lyon anregte, sich „neue Jobs“ zu suchen. „Hören Sie mit dem Schmarren auf“, antwortete Hoeneß knapp auf die entsprechende Frage eines Hörfunkreporters, wie man überhaupt feststellen konnte an jenem Abend: Man gab sich aufreizend zurückhaltend beim FC Bayern. Fast schon geläutert.

Die Analyse von Patrik Andersson, dem Verteidiger, fiel so aus: „Im Fußball geht es Top oder Hopp. Heute war es Top.“ Elber, sonst geschwätzig wie eine Drossel, meinte: „Entweder man siegt oder bleibt auf der Strecke.“ Nicht mal über seinen Gegenspieler und Intimfeind Tony Adams wollte er lästern. Und auch Thorsten Fink, der mit einem feinen Außenristpass gefühlvoll das Tor des Tages vorbereitete und als umsichtiger, unermüdlicher Spielmacher überraschte, gab sich verbal minimalistisch: „Wir haben unser Ziel erreicht.“ Vielleicht haben die Spieler ja verinnerlicht, dass Lamentieren, wie es etwa Effenberg jüngst praktiziert hatte, ein schlechter Weg aus einer sportlichen Krise ist. Siegen und schweigen dagegen ein guter.

Nur einer saß da, Ottmar Hitzfeld nämlich, der Trainer, und tat, was er sonst nicht oft tut. Er grinste. Nebenbei redete er frei drauflos, erzählte, wie zufrieden er sei, dass man derart viele Punkte in der Champions League geholt habe („Das ist doch was“) und dass es ihm egal sei, ob die Bayern nun auf Manchester United, Galatasaray Istanbul oder Leeds United treffen. Richtig erleichtert wirkte er. Verständlich. Nach der Serie von schlechten Spielen zuletzt und der ständigen und immer noch andauernden Debatte über alte, verbrauchte und neue, benötigte Spieler (eine Münchner Boulevardzeitung kreuzte mögliche Kandidaten auf dem Mannschaftsfoto wie auf dem Lottoschein aus) wuchs der Druck auf Hitzfeld. Wahrscheinlich war er so groß wie noch nie in seiner bald dreijährigen Amtszeit, was erklärt, dass er manchmal wieder diese großen Sorgenfalten auf der Stirn hat. Wie damals, als er in Dortmund als Trainer scheiterte.

Aber davon, vom Scheitern beim FC Bayern, ist Hitzfeld weit entfernt. Erster in der Bundesliga, „unter den besten acht Europas“ (Hoeneß), da glaubt sogar DFB-Teamchef Rudi Völler die Münchner „gut im Rennen“. Zumal Hoeneß zugesagt hat, demnächst das Vereinskonto zu plündern, um endlich potente Verstärkungen zu kaufen. Was also bleibt von diesem Abend? Die Gewähr, dass der FCB „immer noch da ist“ (Elber). Am Samstagabend steht nun das Derby an, Bayern gegen 1860, da wolle man „natürlich triumphieren“ (Hasan Salihamidzic).

Ach ja, und dann war da noch Robbie Williams. Der Popstar nützte sein Konzert nebenan in der Olympiahalle, um vorher die erste Halbzeit im Olympiastadion anzuschauen. Als er aufstand und ging und ihn ein Fan ansprach, zeigte er ihm den Stinkefinger. Verspannung zeigt sich eben auch in kleinen Gesten.

GERALD KLEFFMANN

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen