Die Bundeszentrale orientiert sich in Richtung HipHop

Pop kommt ohne Politik aus, Politik aber nicht ohne Pop: Wenn Christine Bergmann und Mousse T. mit Dieter Gorny darüber diskutieren, wer im Jahr 2001 eigentlich für Jugend und Musik zuständig ist, freut man sich, dass der Kulturstaatsminister neuerdings Julian Nida-Rümelin heißt. Es macht eben locker, wenn man nur ein bisschen zuständig ist

Julian Nida-Rümelin ist eine coole Sau. Da sitzt man im Willy-Brandt-Haus, es ist der Tag vor der Echo-Verleihung, rund um einen herum hängen lauter Fotos von John Lennon und überall laufen Anzugträger jenseits der fünfzig herum. Sie tragen John-Lennon-Badges an ihrem Jackett, und die Veranstaltung hat den Titel „Jugend und Musik 2001 – Wer ist zuständig?“. Die Besetzung des Podiums nimmt man als Zeichen für das, was da kommen wird – neben Nida-Rümelin sitzen unter anderen Monika Griefahn, Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestags, Viva-Chef Dieter Gorny, Thomas Krüger, seit neuestem Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, und schließlich Mousse T., Grammy-nominierter Remixer.

Man ist sich sicher zu wissen, was jetzt kommt. Schließlich kommt Pop ohne Politiker aus, Politiker aber nicht ohne Pop. Familienministerin Christine Bergmann umreißt das Feld in ihrer Begrüßung: Auf der einen Seite gebe es Bruce Springsteen und die venezolanische Jugendorchesterbewegung, auf der anderen den Nazirock, aber um so etwas einzudämmen, dafür würden ja Künstler kämpfen, die sich mit den Kids besser verstünden als sie selbst (wobei sie Klaus Meine von den Scorpions zunickt, der im Publikum sitzt). In diesem Moment glaubt man, den Sinn des Abends erfasst zu haben: Umarmungsgeste, Hilflosigkeit, Unwissen.

Doch dann stellt sich Nida-Rümelin hin, und anstatt große Reden zu schwingen, zitiert er Susan Sontag und sagt, er wolle sich jeder Interpretation von Pop enthalten. Nur kurz möchte er zu bedenken geben, dass er die Trennung von hoher und populärer Kunst für falsch halte, dass man Pop in seinen eigenen ästhetischen Qualitäten ernst nehmen und dass man die dazugehörige Förderpraxis überdenken müsse. Dann sitzt er schon wieder.

Das war’s. Keine endlosen Erzählungen, deren Sätze immer mit dem Wort „ich“ beginnen wie bei seinem Vorgänger. Nur ein kurzes „Ich höre zu Hause Technomusik“, und das auch erst auf Nachfrage. Nur ein kleiner Satz darüber, dass er zwischen den Videoinstallationen, die er bei der Biennale in Venedig gesehen habe, und dem, was im Musikfernsehen laufe, keine großen qualitativen Unterschiede ausmachen könne. Was soll man über einen solchen Kulturminister sagen? Dass er in einem Kabinett mit lauter Politikern sitzt, die einen Krieg geführt haben? Kann das mal jemand in ästhetische Kriterien übersetzen?

Das Coole an einem Staatsminister für Kultur ist ja auch: Er ist tatsächlich nur ein bisschen zuständig. Im Unterschied zu einer Bundestagskulturausschussvorsitzenden wie Monika Griefahn, die dafür plädierte, das mit dem Pop sei ja schön und gut, ein bisschen Zauberflöte sei aber auch nicht schlecht. Oder zu Thomas Krüger, der ankündigte, die Bundeszentrale für politische Bildung werde sich in Richtung HipHop orientieren.

Nun konnte man sich immer noch sagen: Sollen die mal reden, was zählt, sind die Taten, aber selbst beim künstlerischen Rahmenprogramm hatten die Veranstalter eine sichere Hand. Eine DooWop-Gruppe sang Beatles-Songs und „Back For Good“ von Take That. Es rührte einen zu Tränen. TOBIAS RAPP