Mit Räucherstäbchen gewedelt

■ Gerd Conrads Buch „Starbuck. Holger Meins“: Ein Nachtrag

Vor zwei Tagen stellte Gerd Conradt in Hamburg sein Buch Starbuck. Holger Meins vor. Holger Meins, dem in Stammheim der Prozess gemacht werden sollte, starb am 9. November 1974 nach fast zwei Monaten Hungerstreik in Untersuchungshaft. Conradt kennt Holger Meins aus ihrer gemeinsamen Zeit an der DFFB. Zu der Buchvorstellung bei Nautilus in der Friedensallee hatte er auch Alfred Klaus geladen. Als BKA-Beamter war er 1977 während der Schleyer-Entführung – von der Bundesregierung beauftragt – Kontaktmann zu den Stammheimer Gefangenen. Conradt hat ihn für sein Buch ausführlich interviewt. Als Klaus am Donnerstagabend nach ein paar Worten zu der „Mörderbande RAF“ den Buchladen verließ, machte sich unter den Anwesenden Empörung breit. Fragen wurden laut, ob seine Anwesenheit wohl einer Erinnerung an Holger Meins angemessen sei. Ob das Buch selbst es ist, verrät eine Besprechung von Irmgard Möller. taz

Das Montagebuch setzt sich wesentlich aus Erinnerungen und Zeugnissen aus Holgers Zeit vor der RAF zusammen. Es kommt ganz schön daher, aber durch die Art der Fragen errichtet Conradt einen Altar, schwenkt heftig seine Räucherstäbchen und schafft so eine Distanz, die Holger ins Unendliche entfernt, statt ihn wirklich näher zu bringen. Er produziert einen Heiligen, eine Ikone, um sich damit zu schmücken. Dazu kommt die Bestrebung, Holger als einsam, gut und edel vor dem Hintergrund der anderen üblen Gestalten erstrahlen zu lassen. Das lässt eben nicht fragen: „Ach, solche Personen waren in der RAF?“, sondern: „Wie konnte so ein Mensch unter die Räuber fallen!“ Aber es waren wir, seine Genossen, mit denen er sich freiwillig zusammengetan hat.

Das Buch wird Holger nicht gerecht, weil es seine Entscheidung, in der RAF zu kämpfen, um keine Preis respektieren, Gedanken an die Inhalte der Konfrontation gar nicht erst zulassen will. Grundsätzlich gibt es die Schwierigkeit, über das Wesen und die Eigenarten Einzelner aus der Gruppe zu erzählen, weil wir uns von Anfang an gegen Personalisierungen und Psychologisierungen wie z.B. von Stefan Aust wehren mussten, die immer darauf abzielten, davon abzulenken, woraus, wofür und wogegen wir unseren Kampf entwickelt haben. So hat Holger nicht „die Kamera mit der Waffe vertauscht“, wie Conradt behauptet – er wollte aus dem Filmbetrieb 'raus und ist zum Filmen nicht mehr gekommen. Seinen Blick aber hat er tatsächlich bewahrt.

Ich verstehe nicht, wie jemand seine Erinnerungen an Holger gerade Conradt anvertrauen kann, nachdem der schon vor ein paar Jahren den unsäglichen Film Holger Meins – Ein Versuch gedreht hat, und wie man diese der klebrigen Besitzergreifung und esoterischen Betrachtung ausliefern kann. Und ich wundere mich nicht mehr, wenn jetzt auch noch der hohe BKA-Mann Alfred Klaus heimelig mit unterkriecht. Dass Conradt behauptet, sich Holgers Einverständnis mit dieser Art von Andenken „sicher“ zu sein, ist nur noch ein Witz am Rande. Irmgard Möller

Gerd Conradt: Starbuck. Holger Meins, 192 S., 39,90 Mark