Bremer Herr über 420 Milliarden

Axel Weber, 17 Jahre lang im Vorstand der Bremer Landesbank, ist seit 2001 stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DGZ-DekaBank in Frankfurt ■ Ein Gespräch über den Blick aus dem Banken-Turm auf Bremen und auf den stürzenden DAX

taz: Sind Sie noch Bremer oder sind Sie schon Hesse?

Axel Weber: Ich fühle mich sehr stark mit Bremen, meiner Heimatstadt, verbunden, während Berlin meine Geburtsstadt ist. Nach dem Umzug nach Frankfurt haben wir im übrigen auch eine Zweizimmerwohnung in Bremen behalten und wollen nach meiner Pensionierung, also spätestens in neun Jahren, dahin zurückkehren.

Aber eigentlich sind Sie Hesse?

Mit Blick auf die nationale und internationale Rolle des Finanzplatzes Frankfurt weiß ich nicht, ob sich die Frankfurter in erster Linie als Hessen verstehen. Mit der in Frankfurt übernommenen Aufgabe empfinde ich eine Residenzpflicht hier. Ich werde mit meiner Frau im Frankfurter Westend wohnen.

Im Häuserkampf-Westend?

In einem alten Haus, das auch einmal besetzt war.

Und das nicht abgerissen wurde für diese Banken-Türme?

Ja, denn ich brauche lediglich 15 Minuten zu Fuß zu meinem neuen Arbeitsplatz.

Und jetzt sitzen Sie in der Mainzer Landstraße im 18. Stock und sind Herr über viele Milliarden?

Wir sind für rund 420 Milliarden Mark verantwortlich. Davon entfallen 150 Milliarden auf die eigene Bilanzsumme, 270 Milliarden auf das von uns für Privatkunden und institutionelle Investoren verwaltete Fondsvermögen.

Wenn der DAX 500 um Punkte stürzt, wie viel verlieren Sie?

Verlieren ist in diesem Zusammenhang nicht der richtige Ausdruck. Geld verloren hätte man bei dem Verkauf von Wertpapieren. Ansonsten bleibt der Verlust des Fondsvermögens lediglich eine rechnerische Größe. Unsere Investmentfonds haben zudem unterschiedliche Anlageschwerpunkte wie nationale und internationale Aktien- und Rentenwerte sowie Immobilien und damit auch eine unterschiedliche Risikostreuung.

Wenn weltweit an der Börse fünf Prozent Einbruch verzeichnet wird, dann verliert Ihr Fondsvermögen auch um die fünf Prozent der 400 Milliarden. Oder sind Sie besser als der DAX?

Kurseinbrüche belasten natürlich auch die Performance der Fonds. Allerdings kommt hier wieder die Risikostreuung dieser Anlageform positiv zum Tragen.

Unter den kleinen Sparern gibt es eine heftige Diskussion darüber, ob es richtig und schlau ist, die Alterssicherung nicht auf dem Sparbuch zu betreiben, sondern mit Aktienfonds.

In den Jahrzehnten des Wiederaufbaus haben die Deutschen ein ansehnliches Vermögen gebildet. Insofern bedaure ich, dass wir jetzt ein Gesetz, Riester-Plan, bekommen, das zur Schließung der Rentenlükke, die Zusatzversicherung hochkompliziert in einem aufwändigen Verfahren regelt. Die Bevölkerung ist wesentlich reifer als die Politiker denken. Die Bürger sorgen selbst vor, weil sie merken, dass die Altersversorgung aus der Rentenversicherung möglicherweise künftig nicht ausreicht.

Insofern ist die Einbeziehung sachwertorientierter Anlagen wie Immobilien bzw. Immobilienfonds und Aktienanlagen richtig. Die Wertentwicklung von Aktienfonds in den vergangenen Jahrzehnten beispielsweise zeigt die Renditestärke dieser Anlageform. Aktienanlagen, die prinzipiell immer mittel- bis langfristig erfolgen sollten, sind natürlich auch eine Frage der individuellen Risiko-Neigung, dennoch sollte man natürlich nicht alle Eier in einen Korb legen, sondern gut streuen.

Ist für Sie aus Banker-Sicht der deutsche Föderalismus nicht zu kleinteilig?

Nein. Aber durch über zwanzig Grundgesetz-Änderungen in den letzten Jahrzehnten haben wir eine völlig andere Situation als bei der Gründung der Bundesrepublik. Waren die Kompetenzen damals klar abgegrenzt, so haben wir heute überall Mischfinanzierungs-Modelle, wodurch mehr als zwei Drittel der Gesetze im Bundesrat zustimmungspflichtig sind. Die 16 Teilstaaten spielen, wie Helmut Schmidt es einmal gesagt hat, sehr viel Staat, verfügen eigentlich aber kaum noch über eigene Kompetenzen. Diese Entwicklung müsste man zurückdrehen, denn Politik findet hautnah in den Ländern und Kommunen statt. Bremen hat den Vorteil, beides zu sein, was ein hohes Gut ist.

Hätte Frankfurt auch gerne einen Ministerpräsidenten und einen eigenen Bildungsminister?

Frankfurt ist zwar seit 1866 mit dem Einmarsch der Preußen keine freie Reichsstadt mehr, verfügt aber über eine alte und ausgeprägte Bürgertradition.

Bremen hat trotz aller Anstrengungen kein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum erreicht.

Es ist sehr viel geschehen, es war aber auch sehr viel an Strukturbereinigung nötig. Natürlich spielt die Musik vor allem in den großen Zentren. Um so wichtiger ist ein föderaler Aufbau, damit regionale Regierungen sich um ihre Region kümmern. Das würde in einem Zentralstaat ins Hintertreffen geraten. Eine besondere wirtschaftliche Dynamik wird sich aber immer stärker auf Metropol-Regionen konzentrieren.

Wäre es für Norddeutschland ein Vorteil, wenn es einen starken Nordstaat gäbe, der einen Gegenpol zu den starken Süd-Ländern bilden könnte?

Aus bremischer Sicht wäre es ein Nachteil.

Und für Norddeutschland?

Das kann ich nicht sagen. Ich glaube, man kann nicht künstlich Formationen schaffen. Die Frage ist, was hat die norddeutsche Region zu bieten. Die Verkehrssituation spitzt sich problematisch zu, in diesem Zusammenhang ist vielleicht demnächst eine Renaissance der örtlichen Produktion zu erleben. Vielleicht erlebt auch der alte Standortvorteil in Hafennähe eine Renaissance, weil wir unsere Verkehrswege nicht weiter so ausbauen können wie bisher.

Was die Hafenpolitik angeht, da setzt Bremen derzeit selbst auf den Nordstaat.

Man muss unterscheiden zwischen einer abgestimmten Hafenpolitik der Länder, die eine übertriebene Konkurrenz - jeder investiert in alles - vermeidet, und den betriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten des Zusammenschlusses von Firmen.

Sie waren Aufsichtsratsvorsitzender der Bremer Lagerhaus Gesellschaft BLG.

Das ist richtig.

Der Bremer Senat will den Zusammenschluss der HHLA und der BLG geprüft.

Es ist gut, dass die Politik Impulse setzt. Hier müssen nun die betriebswirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten geprüft werden. Ich kenne nicht den letzten Stand und möchte mich in dieser Angelegenheit auch zurückhalten. Aber grundsätzlich ist eine Prüfung möglicher Gemeinsamkeiten richtig, ohne sich dabei aufzugeben.

Wenn dieser Zusammenschluss passiert, gibt es nur noch eine norddeutsche Hafenpolitik.

Es gibt eine gemeinsame Standortpolitik, die Investitionskraft bündeln soll. Was anderes ist die Loslösung der betriebswirtschaftlichen Einheiten vom staatlichen Einfluss, also ein rein kundenorientierter Denkansatz. Sie kennen den Boom, den die Eurogate, also der Zusammenschluss von BLG-Containerbetrieb und Eurokai Hamburg, entfacht hat.

Das bedeutet: Die BLG-Tochter Eurogate hat Erfolg, weil sie nicht nur rein bremisch denkt.

Sie hat Erfolg, weil sie in ihrer Kundenbetreuung nicht standortorientiert sondern kundenorientiert denkt. Ihr wirtschaftlicher Erfolg wirkt sich auch zu Gunsten von Bremen aus. Fragen:
K.W.