Menschensteak im Rinderwahnsinn

■ Offenbachs „Häuptling Abendwind“ ist keine Oper, sondern ein Öperchen und feierte deshalb Premiere in der Concordia

Jacques Offenbach hat mit seinen „Bouffes Parisiènnes“ eine Gattung sui generis geschaffen, die im Milieu des Kaiserreichs Napoléon III die damaligen ZuschauerInnen zum „Lachen, Klatschen und Weinen brachte, als ob ein Wunder geschehen wäre“, wie der zeigenössische Kritiker Jules Hanin schrieb. Niemand und nichts war vor dem Spott sicher, den Offenbach in über hundert Werken versprühte. Die Schwächen und Korrumpierbarkeit der Menschen sind sein Dauerthema. Dabei spielen seine Stücke in der mythologischen Antike, im Mittelalter, in einem imaginären China oder auch, wie „Häuptling Abendwind“, auf einer fernen Südseeinsel mit Namen Groß-Lulu. Deren Häuptling Abendwind ist Kannibale wie sein Kollege auf der Nachbarinsel Papatutu. Ein Fremder wird an Land gespült und soll nun als Festmahl für das politische Treffen der beiden dienen. „Der macht sich gut auf meiner Tafel mit Salz und Majoran“, jubiliert Abendwind. Doch Atala, die Tochter Abendwinds, verliebt sich in den Fremden und nennt ihn den ersten „Butterstinker, der ihr ungeschlachtet lieber war“.

Dieses Werkchen von 1857 hat Johann Nestroy 1862 satirisch geschärft und der jungen Regisseur Freo Majer hat nun daraus eine weitere Fassung erstellt, die einerseits hochambitioniert ist, andererseits aber nicht ganz hinhaut. Majer macht aus den beiden Gegnern oberspießige Familienväter, da läuft eine Waschmaschine, da steht ein Gummibaum, da hat die pubertäre Tochter schwerste Probleme mit dem Leben ihrer Eltern. Elektrisches Schneidemesser und Bohrmaschine sind die Utensilien ihrer Mörderlust, die Kokosmilch steht in Dosen herum.

Daraus lässt sich die politische Parodie nur zähflüssig entwickeln. Das ironische Gespräch der beiden Häuptlinge, die schleimige Höflichkeiten über gemeinsame Globalisierungsideen austauschen, bleibt ohne Fundament. Es bleibt bei zweifelsohne einzelnen witzigen und guten Einfällen, die aber nicht ausreichend Gesamtdrive haben. Wolfgang von Borries als Abendwind ist eher ein harmloser Teenie im T-Shirt denn ein miss-trauischer Potentat, und Achim Rikus ist ein zwar prächtig präsenter Häuptling der Papatutu, wie ein satirisches Abziehbild eines Politikers wirkt er aber eher nicht.

Offenbachs freche, witzige, schwungvolle Musik kam wunderbar, denn alle sangen trefflich. Hier sind besonders die aufmüpfige Atala Inga Schlingensiepens und der komisch-attraktive Ronald Naiditch als Arthur, der Fremde, zu nennen. Weiter Akzente kamen von Anne-Kathrin Auch und Christiane Wiedebusch als Ehefrauen wie von Robert Grund als sadistischer Koch. Insgesamt jedoch fehlte es bei den Musiknummern noch an Tempo und Flexibilität der Anschlüsse, was sich ja noch ändern kann. Mitglieder des Philharmonischen Staatsorchesters spielten die wahrlich unsterblichen Melodien unter der Leitung von Christina Domnick inspiriert und pfiffig. Für das schlauchartige Concordia-Theater muss ja immer eine besondere Bühnenbildlösung gefunden werden: Daniel T. Schulz setzte das Geschehen in die Mitte, umrahmte es zu drei Seiten mit dem Publuikum und ließ die Musiker an der vierten Seite hinter einer Gazewand spielen: sehr geschickt.

Herzlicher Beifall, aber „ein Wunder“ war nicht geschehen.

Ute Schalz-Laurenze

Nächste Aufführungen: 21., 27. März, 20h in der Concordia