Bevor die Lichter angehen

Vom B-Boy zum Typ vom TV-Reparaturservice: Everlast, der ehemalige Vorturner der HipHop-Gruppe House of Pain, sang bei seinem Konzert in der Columbiahalle den Blues des weißen Mannes – allerdings in seiner zeitgemäßen HipHop-Variante, denn „Respect“-Rufe und Händewerfen gab es auch

von DANIEL BAX

Rapper sehen anders aus. Sie schnallen sich gewöhnlich keine Gitarren um, und sie sind meistens auch nicht irischer Herkunft. Everlast gilt als Ausnahme von dieser Regel. Aber ist er überhaupt ein richtiger Rapper?

Wahrscheinlich würde der bullige, zum Islam konvertierte Ire mit den tätowierten Oberarmen jedem Prügel androhen, der ihm eine solche Frage zu stellen wagte – sein notorischer Clinch mit dem Rivalen Eminem lässt darauf schließen, dass Everlast wenig Spaß versteht, wenn er sich in seiner HipHop-Ehre angegriffen fühlt. Doch die Indizien sprechen eine deutliche Sprache. Und sie sprechen längst mehrheitlich gegen ihn.

Da wäre, wie gesagt, die Gitarre, mit der sich Everlast auch bei seinem ersten Auftritt in Berlin, in der Columbiahalle, präsentierte, flankiert von einer fünfköpfigen Band, bei der allenfalls der Mann am DJ-Pult, der im Hintergrund werkelte, zu der Vermutung Anlass gab, dass sie vielleicht doch keine ganz normale Rockkapelle sein könnte. Und da sind die Songs, die oft näher sind am versonnenen Geklampfe eines, sagen wir einmal, Bruce Springsteen als am großspurigen Geprotze eines Puff Daddy; Songs, die eher zum Griffeln auf der Luftgitarre animieren als zum Breakdance. Es ist der Blues des weißen Mannes, den Everlast singt, allerdings in seiner zeitgemäßen Variante: Ein Captain Beefheart für die Generation Grunge.

Everlast selbst tut denn auch gar nicht erst so, als wäre das Inner-City-Ghetto seine Welt, eher schon sind es die Trailer Parks und Diner-Imbisse, die Treffpunkte der Fernfahrer und Vorstadtkids. Deren Ästhetik beschwor Everlast auf dem Cover seines letzten Albums, auf dem er sich als Kellner eines Schnellrestaurants zeigte.

Unerwartet erfolgreich war „Eat at Whitey’s“. Woran nicht zuletzt Carlos Santana entscheidenden Anteil hatte, an dessen Comeback-Album „Supernatural“ Everlast beteiligt war. Das dürfte ihn auch in der Gunst jenes Rockpublikums befördert haben, das die Columbiahalle füllte und weit mehr durch Holzfällerhemden und Cowboystiefel auffiel als durch das Tragen von Baggy-Hosen und Sportschuhen. Ganz wie Everlast selbst, der, angetan mit Base-Cap und in Worker-Kluft, eher wie der Typ vom TV-Reparaturservice wirkt als wie der übliche B-Boy. Trotzdem: Ganz von seinem Rapper-Image will Everlast nicht lassen und zitiert, der Credibility wegen, im Laufe des Abends Songs von Gang Starr, Marvin Gaye und als Zugabe „Pop Life“ von Prince. Er erinnert an „Jump around“, den Hit aus seiner Zeit im Rap-Trio House of Pain, streut „Respect“-Rufe ein und macht jene schon längst schulhoftypischen, rudernden Handbewegungen der HipHop-Kultur.

Doch stets wirkt das ein wenig aufgesetzt. „Irgendwelche HipHop-Fans hier?“, ruft er fragend in die Halle, nur um eine eher verhaltene Antwort zu ernten. „Gut, wir werden es herausfinden“, gibt er sich trotzig und legt dann aber keinen Freestyle-Rap, sondern lieber ein langatmiges Gitarrensolo über die Beats, die sein Kollege am Mischpult vom Plattenteller lässt. Es klingt ein wenig nach der Werbespot-Melodie von Camel.

Kurz vor Schluss dann endlich: „Put Your Lights On“. Bald darauf gehen die Lichter im Saal an, nur um wenig später in den Schlafzimmern von Neukölln, Wedding und Tempelhof wieder zu erlöschen, während vom CD-Player sanfte Klänge, Kuschelrock womöglich, in den Schlaf wiegen.