jüdische gemeinde
: Aufgaben liegen auf der Hand

Wenn morgen die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde ihr Parlament wählen, dann steht nicht im Vordergrund, wer der nächste Gemeindevorsitzende sein wird. Vielmehr muss sich die neu zu wählende Gemeindevertretung der Verantwortung für Integration und Modernisierung stellen.

Kommentarvon PHILIPP GESSLER

Diese Aufgaben sind entscheidend, zumal am Wahlausgang wenig Zweifel besteht: Andreas Nachama, seit vier Jahren Gemeindechef, hat beste Chancen für eine Wiederwahl. Und das zu Recht. Denn er hat es vermocht, die verschiedenen Richtungen des Judentums in der Stadt zusammenzuhalten. Zudem konnte er die Finanzen der Gemeinde alles in allem sanieren. Wenig wahrscheinlich ist, dass sein Konkurrent Moishe Waks gewählt wird. Vielen erscheint er zu ungehobelt im Vergleich zum geschmeidigen Nachama. Inhaltlich sind die Differenzen zwischen beiden nicht groß – denn die Aufgaben liegen auf der Hand:

Es muss darum gehen, die etwa 7.500 russischsprachigen Zuwanderer in die Gemeinde zu integrieren – die derzeitige Repräsentanten-Versammlung ist immer noch vor allem durch die Gemeindestruktur des alten West-Berlin geprägt. Das religiöse Leben sollte gestärkt werden, denn langsam, aber sicher erodiert das religiöse Wissen. Das ist gefährlich, da die Post-Schoah-Generation sich in Zukunft verstärkt religiös definieren muss, wenn sie angesichts des Säkularisierungsdrucks bestehen will. Und schließlich muss die Finanz- und Wirtschaftspolitik überprüft und vor allem transparenter gemacht werden: Die Gemeinde hat viele Aufgaben geschultert, die öffentlich subventioniert werden, weshalb ihr Etat beträchtlich ist. Mehr Klarheit und Offenheit ist hier vonnöten. Auch deshalb wäre zu hoffen, dass mehr junge Mitglieder gewählt werden: Mit ihnen gäbe es Hoffnung, dass die alten Seilschaften mit ihren eingefahrenen Reflexen in der Gemeinde an Macht verlieren. Wer Gemeindechef wird, ist dann nicht mehr so wichtig.

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