Bimbes fürs Bike

Der Staat soll dem Bürger aufs Fahrrad helfen. Politiker aller Parteien beschäftigen sich mit der Förderung des Fahrradverkehrs. Vorbild ist Holland, wo das Fahrrad als vollwertiges Verkehrsmittel gilt und viel häufiger als in Deutschland benutzt wird

von HELMUT DACHALE

Irgendwo in den Tiefen der bundespolitischen Gremien wird derzeit an einem für deutsche Verhältnisse beispiellosen Plan gebastelt. Sowohl der Verkehrsausschuss des Bundestages als auch die Fraktionen haben sich demnächst mit einem Masterplan zur Förderung des Fahrradverkehrs zu beschäftigen. Eduard Oswald (CSU), der Ausschussvorsitzende Verkehr, ist sich sicher, dass angesichts des Velos alle Parteien zusammenstehen werden: „Wir alle wollen den nationalen Fahrradplan, sicherlich mit unterschiedlichen Nuancen, aber bei der hohen Bedeutung, die dieses Fahrzeug in Deutschland jetzt schon hat, ist es berechtigt, den Fahrradverkehr gezielt zu fördern.“

Die Anstöße zu solchen Bekenntnissen kommen allerdings von außen. ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club) wie VCD (Verkehrsclub Deutschland) trommeln seit längerem für einen milliardenschweren Maßnahmenkatalog, mit dem die Deutschen animiert werden, ihre zahlreichen Velos (insgesamt rund 75 Millionen) häufiger zu besteigen. „Es ist notwendig“, so der ADFC-Bundesvorsitzende Wolfgang Große, „dass die vielen Fahrräder in Deutschland auch tagtäglich benutzt werden.“ Bei gezielter Förderung könne der Radverkehrsanteil innerhalb von acht Jahren von derzeit etwa 12 Prozent auf 25 Prozent steigen. Der ADFC fordert dafür 1,5 Milliarden Mark jährliche Investitionen. Das Geld solle nicht nur dem Bau und der Sanierung von Fahrradwegen zugute kommen, sondern beispielsweise auch helfen, mehr Fahrradstationen aufzubauen, die Verzahnung von Fahrrad- und öffentlichem Verkehr zu verbessern und die Sicherheit für alle schwächeren Verkehrsteilnehmer zu erhöhen. So will der VCD die Zahl der durch Verkehrsunfälle getöteten und schwer verletzten Radfahrer und Fußgänger bis zum Jahr 2010 halbiert sehen.

Ein derartiges Programm wird irgendwann aufgelegt, glaubt Wolfgang Große fester denn je: „Wahrscheinlich wird der Masterplan nicht mehr in dieser Wahlperiode verabschiedet, aber ich kann mir gut vorstellen, dass dies schon im Jahre 2003 der Fall ist. Die Fakten sind klar, und an Vorarbeiten ist ja auch schon vieles geleistet worden.“ Dazu zählt für ihn die Anhörung von Experten vor dem Verkehrsauschuss am 24. Januar dieses Jahres in Berlin, wo auch er – als Stimme der hunderttausend Mitglieder seines Verbandes – die Notwendigkeit einer bundesweiten Fahrradförderung darstellte. Ein Novum: Zum ersten Mal beschäftigte sich ein Bundestagsausschuss in dieser Ausführlichkeit mit dem Thema Fahrrad. Winfried Wolf (PDS) rühmt insofern die Anhörung gar als „historische Weiterentwicklung“. Dazu beigetragen hat sicherlich der Auftritt des Niederländers Ton Wellemann. Als Chefplaner des schon fast legendären „Masterplan Fiets“ (1990 bis 1998) war er maßgeblich am Anstieg des Fahrradverkehrs beteiligt, an der Verwirklichung einer Fülle von Forschungs- und Modellprojekten. Seine beeindruckendste Zahl: 27 Prozent. So hoch ist der holländische Radverkehrsanteil. Sein wichtigster Rat an die Adresse deutscher Politiker: „Machen Sie das Fahrrad zu einem vollwertigen Verkehrsmittel.“

Die Verwirklichung könnte – bei allem partei- und vereinsübergreifenden Optimismus – am Geld scheitern. Zu diskutieren ist noch, aus welchen Etats es abzuzweigen und wie es zu verteilen ist. Konkret: Wie können im föderativen System Deutschland Bundesmittel an die Kommunen gelangen? Also dahin, wo die Zuständigkeiten für die meisten Radverkehrsanlagen angesiedelt, die Kassen jedoch fast überall leer sind und insofern Bimbes fürs Bike am dringendsten nötig wäre. In Frage käme das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, so die Experten bei der Anhörung in Berlin, nach dem bereits Transferleistungen abgewickelt und die verkehrlichen Infrastrukturen der Gemeinden saniert werden. Dieses Scharnier müsse einfach stärker geölt und „Gemeindeverkehr“ in Zukunft häufiger mit „Fahrradverkehr“ übersetzt werden.