Heulsusenecho

Prominent besuchte fade Show: Im Berliner Congress Centrum fand am Donnerstag die Verleihung des deutschen Schallplattenpreises „Echo“ statt

von JENNI ZYLKA

Hören wirklich so schrecklich viele Leute Ayman? Und wer, bitte schön, ist die heulende junge Dame namens Jeanette, die zwischen den Tränen gerade noch herausbekam, dass sie „kaum fassen kann“, den Echo-Award für die erfolgreichste nationale Künstlerin im Jahre 2001 bekommen zu haben?

Das ist auch wirklich kaum zu fassen, da hat das kleine undichte Ding Recht. Aber die Plattenbosse der Deutschen Phono-Akademie, die man sich gerne verkokst über Künstlerlisten und Charts brütend in verrauchten Büros vorstellt, werden hoffentlich wissen, was sie tun. Und wenn der ölig-nölige Ayman denn nun mal 300.000 Platten seines Debütalbums „Hochexplosiv“ verkauft hat, dann ist das anscheinend gleich zwei Preise wert: Als bester Nachwuchskünstler und bester deutscher Act wurde der mopsige Berliner ausgezeichnet.

Die Gäste, die bei der 10. Echo-Verleihung im vollen Berliner ICC hinter ihren engen Chemieunterricht-Tischchen klemmten, waren jedenfalls merkwürdig unbeeindruckt. Egal wer einen der sperrigen Preise abgreifen konnte, egal ob Ingo Apelt oder Rüdiger Hoffmann versuchten, die Stimmung zu heben: Vorn durften die Claqueure ein wenig „Seid mal begeistert!“ üben, hinten muffelten die Geladenen. Die JournalistInnen, die die Preisverleihung aus der Presselounge im Dachgarten (ohne Alkohol, aber mit Schinkenbrötchen) verfolgten, stöhnten nur hin und wieder leise auf, wenn beispielsweise Laudatorin Verona Feldbusch „Was rede ich hier eigentlich?“ fragte, und nuschelten sich Dinge wie „Wie schreibt man Wolfgang Petry? Mit y oder mit i?“ oder „Als was kann man Eminem bezeichnen? Als Rapper?“ zu.

Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir ein, dass da noch eine Moderatorin da gewesen sein muss. Aber was sie gesagt hat, fällt mir absolut nicht mehr ein. Frauke Ludowig bewegte sich so steif, unbeeindruckt und humor- und musikwissensfrei durch die Veranstaltung, dass man sie eigentlich auch hätte weglassen können. Aber die Echo-Verleihung wurde nicht nur das erste Mal aus Berlin, sondern auch von RTL übertragen. Und dazu hat RTL eben seine beste (erstbeste?) Moderatorin auserkoren.

Was war nun gut beim angeblich „zweitgrößten Musikpreis der Welt“? Irgendetwas muss doch gut gewesen sein . . . Genau. Ich habe eine neue Lieblingskategorie: Kategorie 29, „die beste nationale oder internationale Klassik-Crossover-Produktion des Jahres“. Denn der Feind braucht einen Namen, um ihn bekämpfen zu können. Klassik-Crossover ist Musik, die man auch als „verpoppte Klassik“ oder „verklassikten Rock“ bezeichnen kann. Nominiert waren Menschen wie Andre Rieu und Andrea Bocelli. Gewonnen hat Helmut Lotti. HELMUT LOTTI! Helmut Lotti. Warum habe ich nichts zu trinken mit in die Presselounge geschmuggelt? Bier? Schnaps? Crack?

Später, als alle 24 Preise vergeben waren, rannten alle schnell zur After-Show-Party, um dort das andere, was beim Echo Award richtig toll ist, zu genießen: Wirklich ü-ber-all standen freundliche Menschen mit Champagner- und Biertabletts, und in der Mitte gab es Caipirinha-Creme an einem U-förmigen Buffet. Die zuständigen Mode- und Frauenzeitungen werden über diese Party schreiben: „Der Look vom Echo 2001: Camouflage und komische Ketten aus Metallkunst.“ Und natürlich, dass Sabrina Setlur da war und ein Extraloch im Kleid hatte an einer Stelle, an der man normalerweise keines hat. Und dass man mit der Fernseh-Girlie-Band No Angels „You gotta catch them all!“ spielen konnte: Ich habe mindestens dreimal „Sand“, fünfmal „Wind“ und siebenmal „Schlamm“ oder wie die heißt gesehen. Keine Ahnung, wie die Hase-und-Igel-mäßig gleichzeitig überall auf den beiden Etagen herumgondeln konnten.

Die Posse um Sammy DeLuxe, der mit seiner Band Dynamite DeLuxe netterweise HipHop-Künstler des Jahres geworden ist, stolzierte jedenfalls zu Recht hocherfreut durch den Abend. Und spätnachts konnte man türkise, auswärts gekehrte Frauencowboystiefelspitzen unter der Toilettentür eines Damenklos hervorlugen sehen. Aber die dazugehörige Dame schien ganz fidel und plapperte munter von Til Schweiger, den sie gerade gesehen habe, Rocco Schamoni und Charlotte Roche. Vielleicht hat sie auch einfach so lange Beine.