Ethik oder Agrarwende

Stützung des Rindermarkts: Lagerung des Fleischs frisst Geld für Öko-Landwirtschaft

BERLIN taz ■ Agrarministerin Renate Künast hat die Qual der Wahl: Entweder werden noch einmal etwa 250.000 deutsche Kühe, die niemand essen will, getötet und ihre Kadaver verbrannt. Das kostet etwa 145 Millionen Mark, die Künast eigentlich nicht hat. Oder Deutschland entschließt sich zur „ethischen Lösung“ und lagert das Schlachtfleisch ein. Das kostet dann nach Berechnungen des Verbraucherministeriums etwa 312 Millionen Mark, die Künast erst recht nicht hat. Auf jeden Fall muss Künast das Geld aus den verfügbaren Mitteln in ihrem Haushalt nehmen. Und damit verplant sie die Gelder, die sie eigentlich für ein Umsteuern zu einer anderen Agrarpolitik dringend bräuchte. Die „ethische Lösung“ des Einlagerns verringert den Spielraum für die Agrarwende also um etwa 170 Millionen Mark mehr als die Vernichtung des Fleischs. Das mache „keinen Sinn“, die Vernichtungsaktion müsse sein, findet selbst die grüne Agrarexpertin Ulrike Höfken.

Die EU hilft dabei mit: Gestern stand ein zweites Schlachtprogramm zur Stützung des Rindfleischmarkts auf der Tagesordnung. Nach Redaktionsschluss wollten die Ländervertreter entscheiden, nach dem EU-weiten Schlachtprogramm von Dezember für 2 Millionen Rinder noch einmal 1,2 Millionen Tiere aufzukaufen, um den Rindermarkt zu stützen. In Deutschland könnten damit etwa 250.000 Rinder aufgekauft werden. Anders als beim ersten Programm haben die nationalen Regierungen die Wahl, das Fleisch zu vernichten oder zu verwerten – wenn sie das Geld dafür haben.

Ihren anfänglichen Widerstand in Brüssel hat Künast inzwischen aufgegeben. Kritik an dem zweiten Schlachtprogramm kommt nun vor allem von ihren Parteifreunden Bärbel Höhn, Umweltministerin in NRW, und dem grünen Europaabgeordneten Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Wenn die Maul- und Klauenseuche auf Deutschland übergreife, könnten hier bald ohnehin so viele Rinder getötet werden, dass Rindfleisch womöglich wieder knapp werde.

BERNHARD PÖTTER