SPD feiert Lemke und erspart ihm Kritik

■ SPD-Parteitag verweist parteiinterne Kritiker in eine Arbeitsgruppe / Devise: Potenzielle Wähler nicht verschrecken

„Mit dem Geld, das der Senat mir zur Verfügung stellt, komme ich nicht aus“, rief Bildungssenator Willi Lemke am Samstag den Delegierten des SPD-Landesparteitages zu. Dafür bekam er nicht nur viel Beifall. Sogar die Juso-Redner betonten, dass ihr Bildungssenator in diesem Punkt ihre volle Unterstützung habe. Da Lemke im Senat den Eckwerten zugestimmt hatte, müssen ihm nun seine Parlamentarier in der Haushaltsberatung der Bürgerschaft „Geld“ besorgen. 35 Millionen Mark als Verfügungs-Masse hat der Senat den Abgeordneten gelassen.

Für den Bildungsbereich könnte Lemke die ganze Summe gebrauchen: Er will die „verlässliche Grundschule“ für alle einführen, das Medienprogramm an den Schulen finanzieren und die Kollegien verjüngen. „Irgendwo ist Schluss mit lustig. Wir dürfen unsere Schulen nicht kaputt sparen“, rief Lemke vor Delegierten. „Dafür ist die Zukunft unserer Schüler zu wichtig. Das sind Investitionen in unsere eigene Zukunft.“ Wie schon im vergangenen Jahr will sich die SPD in den Haushaltsberatungen auch diesmal als „Bildungspartei“ profilieren. Beirats-Sprecher Ulrich Röhmling sagte ganz deutlich, dass es da auch um die nächste Wahl gehe: „Wir sind mit diesem Bildungssenator gut bedient und können mit ihm auch beruhigt in den Wahlkampf ziehen.“

Der parteiinterne Streit um grundlegende konzeptionelle Differenzen kann dieses Bild nur stören. Die Bildungsdebatte war daher ans Ende der Tagesordnung gestellt worden und begann erst nach der Kundgebung gegen den Neonazi-Aufmarsch in Vegesack. Als es gegen 15 Uhr dann aber an die Beratung der kontroversen Anträge gehen sollte, waren die Delegierten müde und überwiesen die Kontroverse an eine Arbeitsgruppe.

Unter der Überschrift „Eine Schule für alle“ hatten die Jusos eine recht weitreichende Gegenposition formuliert: Aus den Schulzentren der Sekundarstufe I sollen Gesamtschulen werden, die Anzahl der SchülerInnen pro Klasse dürfe 20 nicht überschreiten, die Zensurenvergabe – „antidemokratisch“ und „ein pädagogischer Missstand“ – sei abzuschaffen. Ihre Vorstellungen stehen denen ihres Bildungssenators völlig entgegen: Die natur- und literaturwissenschaftlichen Fächer seien „zu stark gewichtet“, Politikunterricht müsse wieder verpflichtend werden, heißt es im Juso-Gegenantrag. Während im Leitantrag für den Parteitag über die gymnasiale Oberstufe nicht viel drinsteht, sind die Vorstellungen der Jusos ganz konkret: „Der Schulversuch am Kippenberg-Gymnasium ist schon gescheitert und wird gestoppt.“ Für die „Schnellläufer“-Orientierungsstufen, die ein Schuljahr einsparen helfen sollen, „findet der gültige OS-Lehrplan Anwendung“. Und sie lehnen die Absicht Lemkes, die Wahlfreiheit in den Leistungsfächern ab der elften Klasse einzuschränken, genauso ab wie die Modelle des „Abi in zwölf Jahren“. Diese Verkürzung der Schulzeit „gefährdet massiv das schulische Leben“ und „missachtet unser Ziel der Chancengleichheit“. Die Abiturprüfung soll „entdramatisiert und flexibilisiert“ werden, denn „die einseitige Orientierung auf die Abiturprüfung lähmt viele Kräfte in den Schulen“.

Auch viele der Lehrer unter den Delegierten des SPD-Parteitages äußerten vorsichtige Kritik an der Politik ihres Bildungsressorts. Schnellläufer-Klassen „schöpfen den Rahm ab“, den Schulzentren würden die begabten SchülerInnen fehlen, bemerkte einer der Delegierten. Und: „Isolierte Gymnasien schädigen die benachbarten Schulzenten.“

Man dürfe „nicht den Kopf in den Sand stecken“, konterte der SPD-Stadtbezirksvorsitzende Wolfgang Grotheer. In der Bevölkerung gebe es Kritik am bremischen Schulsystem, auch an der Orientierungsstufe. Willi Lemke hielt seinen Kritikern entgegen, es gebe wissenschaftliche Untersuchungen, wonach die Schulform für den Lernerfolg weniger relevant ist als „vernünftiger Unterricht“. Sozialdemokratische Schulpolitik dürfe die „normal begabten Kinder nicht vernachlässigen, die brauchen mehr Futter“. Fördern müsse die Schule, klar, aber auch fordern. Alles weitere wurde in die Arbeitsgruppe verwiesen. K.W.