irland mit hochgezogener zugbrücke
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von RALF SOTSCHECK

Diesmal war alles anders: Am St. Patrick’s Day, Irlands Nationalfeiertag zu Ehren des Schutzpatrons, mussten die Iren zu Hause bleiben. Sämtliche Paraden, die traditionell am 17. März stattfinden, wurden abgesagt, das gesamte Rahmenprogramm fiel aus, viele Hotels waren geschlossen. Schuld war die Maul- und Klauenseuche, die man unter allen Umständen aus der Republik Irland fernhalten will.

Das öffentliche Leben ist zum Erliegen gekommen. Veranstaltungen, bei denen mehr als eine Handvoll Menschen zusammenkommen könnten, fallen aus. Städter wurden dringend aufgefordert, sich von ländlichen Gegenden fernzuhalten. Nach Nordirland oder gar nach Großbritannien soll man nur im akuten Notfall reisen, die Armee bewacht die innerirische Grenze. Britische Touristen sind in Irland unerwünscht. Der Luftverkehr zwischen Irland und Britannien ist stark eingeschränkt.

Selbst die katholische Sonntagsmesse wurde auf dem Land vielerorts abgesagt. Das ist ein Zeichen, dass die Lage wirklich ernst ist. Es ist das erste Mal seit den antikatholischen Strafgesetzen im 17. Jahrhundert, dass Messen nicht stattfinden konnten. Erzbischof Sean Brady bat die Gläubigen, bloß nicht in die Nachbargemeinden zur Messe zu fahren und versicherte, dass die Seelen der verhinderten Gottesdienstbesucher nichts zu befürchten hätten.

Die irische Post, die zum St. Patrick’s Day stets eine Million Sonderpostkarten druckt, meldete dagegen business as usual. Allerdings hatte sie in diesem Jahr ein etwas unglückliches Motiv gewählt: ein Schaf mit grün gefärbter Wolle, ins Fell ein Kleeblatt rasiert, darunter der Spruch: „Das Gras ist grüner auf meiner Seite.“ Ausgerechnet ein Schaf, wo doch Schafe die Hauptverantwortlichen für die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche sind. In Irland beobachtet man die Tiere mit Argwohn, da ihre „Keltisierung“ – der illegale Import englischer Schafe über Nordirland in die Republik Irland – ein großes Seuchenrisiko darstellt.

Fast vierzig Prozent der St.-Patrick’s-Karten gehen nach England, wo man den Gruß als Provokation deuten könnte. Die Pressesprecherin der Post versicherte jedoch, das Postkartenschaf sei trotz grünem Fell vollkommen gesund: „Wir finden das Schaf sehr attraktiv“, sagte sie. „Aufrechte Ohren, eine schöne feuchte Nase, ein glückliches Lächeln.“ Das kann man von Irlands Buchmachern nicht behaupten. Sie haben feuchte Augen, weil sämtliche Pferde- und Hunderennen abgesagt sind. Wenn das so weitergeht, müssen rund 800 Angestellte in den Wettbüros entlassen werden. Ein schwer Wettsüchtiger weinte in sein Bier und gestand, dass er aus lauter Verzweiflung seit Tagen auf Hunderennen in Hongkong wettet.

Nur in den Pubs ging alles seinen normalen Gang. Möglicherweise wollte man eine prärevolutionäre Situation vermeiden. Denn das einzige, das man am St. Patrick’s Day tun konnte, war trinken – und seit vorigem Sommer haben die Kneipen länger geöffnet. So wird Irland morgen, wenn das lange Wochenende vorbei ist, einen kollektiven Megakater haben.