Hoppeln und treffen

In bewährter Manier nutzt Bayern im Münchner Derby die massive Torschussschwäche der Sechziger und siegt 2:0

MÜNCHEN taz ■ Ein schwieriger Abend. Für alle Blauen natürlich, aber auch für die paar wenigen unter den 69.000 im Stadion, die weder im Sechzger- noch im Bayern-Schal rumrennen. Worüber soll man sich denn nun mehr ärgern: Über die Nonchalance der Roten, die mit ihrem ersten Treffer einfach so lange warten, bis den Blauen der Frust über das eigene Nicht-Toreschießen-Können aus dem Trikotkragen gewachsen ist? Über Martin „Chancentod“ Max, der uns mit seinen Schusskünsten ans Außennetz einen Abend verdarb, der so wunderschön schadenfroh hätte enden können? Oder doch über die kaum fassbare Selbstherrlichkeit und Großmannssucht dieses Präsidenten, der von Bayern-Fans gerne „Wildschweinmoser“ genannt wird? Ein schwieriger Abend.

Bayern gegen Sechzig 2:0, Tore von Elber und Sergio, Bayern Erster mit drei Punkten Vorsprung, Sechzig Elfter, fern von Abstieg oder Uefa-Cup – was so stinknormal klingt, barg reichlich Rasanz und Klasse. Schuld daran war allerdings nicht die Mannschaft, die sich schon aufs Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid freut, sondern der TSV Mittelmaß 1860 von Werner Lorant. Mit Verve und selten gesehener Brillanz bereiteten die Löwen dem deutschen Meister eine erste Halbzeit, wie dieser sie sich sicher nicht vorgestellt hatte. Einziges Manko der erstaunlichen Fußball-Demo von Häßler, Borimirow & Co.: Das ein oder andere Tor hätte auf der Anzeigetafel ganz gut ausgesehen.

Als es doch torlos in die Pause ging, hätte man wetten sollen. Auf Bayern natürlich. Fast schon ein Klassiker: Gegner stürmt, Gegner zaubert, Bayern trifft – eine sichere Wette. Trainer Werner Lorant hatte das Unheil kommen sehen: „Ich hätte lieber ohne Pause durchgespielt.“ Tja, ging aber nicht, und so lautete am Ende sein etwas fatalistisches Fazit: „Bayern hat zwei Tore gemacht, wir keins, und deswegen haben wir verdient verloren.“ Fußball kann so einfach sein.

Am Tag danach, beim gefürchteten Fußball-Phrasen-Stammtisch im DSF, da hatte Werner Beinhart seinen bei den Fans so beliebten Interessiert-mich-nicht-Duktus wieder gefunden: „Und wenn wir einsnull führen, dann will ich aber sehen, wie deine Roten rumhoppeln.“ So kennen wir ihn, so lachen wir mit ihm. Gewohntes auch von seinem Präsidenten-Spezl, Karl-Heinz Wildmoser, mit dem Unterschied, dass Wildmosers Einlassungen mittlerweile nicht mehr ohne Kopfschütteln aufzunehmen sind oder einem gleich der Mund ungläubig offen stehen bleibt. Angesprochen auf das vom Großteil der Fans bejubelte Konzept zum Umbau des derzeit nutzlosen Sechzger-Stadions in Giesing, vorgestellt von Ex-Löwe Manni Schwabl, sagt Wildmoser in FC-Bayern-mäßiger Arroganz: „Träume können natürlich eingereicht werden.“ Dass er andere Träume träumt, in denen nicht die Löwen-Arena, sondern immer wieder ein anderer Präsident, ein Kaiserpalast und ein großes Eröffnungsfest vorkommen, wird immer offensichtlicher.

Dass der Stadionzwist den Verein zu spalten droht (Lorant: „Das regt mich sooo auf“), diese Gefahr sieht Wildmoser nicht: „Wenn Sie glauben ich bin angeschlagen, irren Sie sich, mir geht’s blendend.“ Aber das zensierte Fan-Forum im Internet, die immer stärker werdende Opposition im eigenen Verein, die Gesänge der Fans? „Das ist Sechzig, wie es leibt und lebt. Und wenn ich nicht so wäre, wie ich bin, dann würde Sechzig immer noch in der Landesliga spielen, gegen Türk Gücü. Und das wäre auch ein schweres Spiel.“

Ärgernisse, wohin Fußball-Fan nur schaut. Warum bloß gibt es in dieser Stadt keinen Verein, mit dem sich auch Zugereiste anfreunden können, die nicht schon qua Geburt Blaue oder Rote sind? Rot oder blau? Oder doch rotblau, also Unterhaching? Hm. THOMAS BECKER

1860 München: Jentzsch - Riseth, Votava, Hoffmann - Cerny, Stranzl (54. Bierofka), Häßler, Borimirow, Tyce - Max (67. Agostino), SchrothBayern: Kahn - Kuffour, Andersson, Linke, Lizarazu - Salihamidzic, Jeremies (68. Fink), Effenberg, Scholl (69. Sergio) - Jancker (12. Sagnol), Elber Zuschauer: 69.000; Tore: 1:0 Elber (48.), 2:0 Sergio (80.)