Viel Lärm um Sondergelder

■ Im Theateretat klafft ein Loch. Insider schätzen es auf 600.000 Mark. Doch es geht dabei nicht nur um's Geld

In aller Stille wollte der Aufsichtsrat der Bremer Theater GmbH gestern Abend über die Wirtschaftsdaten der größten Kultureinrichtung in der Hansestadt reden. Doch dann stand im „Weser-Report“ ein Artikel über ein Loch in Höhe von 350.000 Mark im Theater-Etat, und aus war's mit der Diskretion. Obwohl das Defizit dem Aufsichtsrat schon länger bekannt ist, wird jetzt hinter vorgehaltener Hand von einem „Kulturkrieg“, der verhindert werden müsse, und einem „Musicalkrieg“, der weitergeführt werde, gesprochen. Und es wird kommentiert: „Da hat sich viel Wut aufgestaut.“

Das Theater schiebt unbestätigten Angaben zufolge inzwischen ein weit höheres Defizit vor sich her. Auf 600.000 Mark schätzen Insider das Loch, das zum Teil schon vor zwei Jahren gerissen wurde. Dem Vernehmen nach sind Kosten in Höhe von einer viertel Million Mark für die aufwändige Produktion „Die letzten Tage der Menschheit“ 1999 im U-Boot-Bunker „Valentin“ noch nicht ausgeglichen. Eine Erhöhung der Stromkosten, der eingeplante und nun doch nicht mögliche Verzicht auf Feuerwehrleute, die in jeder Aufführung sitzen, sowie der von Kultursenator Bernt Schulte (CDU) versprochene, aber auf Betreiben der Kulturdeputation bislang nicht ausgezahlte Zuschuss für das Sommermusical „Porgy & Bess“ im vergangenen Jahr sorgen für den Rest des Defizits. Die meisten Punkte sind erklärbar und haben mit Missmanagement nichts zu tun. Nur bei dem dicksten Brocken, den 250.000 Mark für „Die letzten Tage“, hat Theaterintendant Pierwoß weniger ein Management-, sondern eher ein PR-Problem.

Dieses Loch hat Pierwoß in der Aufsichtsratsvorlage mit einer nicht eingehaltenen Zusage der Bremen Marketing Gesellschaft (BMG) erklärt. Darüber hat sich BMG-Geschäftsführer Klaus Sondergeld geärgert: „Wir haben dem Theater gerade bei dieser Produktion geholfen.“ Ohnehin habe das Haus mit 1,5 Millionen Mark den mit Abstand größten Anteil aus dem Sonderetat zur Expo bekommen – auf Platz zwei folgt die Kunsthalle, die ihren mit 410.000 Mark veranschlagten Zuschuss für den „Blauen Reiter“ gar nicht gebraucht habe. „Pierwoß hat etwas Tolles aus dem Theater gemacht“, sagt Sondergeld. Doch solche Vorwürfe wie an die BMG fielen nicht mehr unter die Narrenfreiheit eines erfolgreichen Theaterintendanten.

Auch bei anderen hat Pierwoß in letzter Zeit nicht den richtigen Ton gefunden. Seine oft rüde Schelte der Bremer Kulturpolitik kommt bei Bremer KulturpolitikerInnen als persönlicher Angriff an. Mit seinen Attacken gegen das Musical-Theater und die dafür innerhalb weniger Wochen bewilligten und innerhalb weniger Monate verbrauchten Sanierungshilfe von acht Millionen Mark verwandelt er seine (alten) Gegner in SPD und vor allem CDU auch nicht in Freunde. Kaum eine Debatte vergeht, in der das Theater nicht als Vergleich herangezogen wird. Einmal wird der Zuschuss für die Bremer Touristik Zentrale (BTZ) in Höhe von rund vier Millionen Mark in Relation zum zehnmal so hohen Theaterzuschuss gesetzt. Ein anderes Mal wird der Pro-Kopf-Zuschuss von Musicaltheater (rund 20 Mark) und Bremer Theater (etwa 170 Mark) verglichen und als Argument gegen Pierwoß ins Spiel gebracht.

Damit nicht genug: Im Gegensatz zu den meisten anderen Kultureinrichtungen erhält das Bremer Theater die Tarifsteigerungen zusätzlich zum Etat von rund 40 Millionen Mark. Das ist nach Auffassung mancher KulturpolitikerInnen – unter anderem – das Geld, was für ein Festival wie „Tanz Bremen“ nicht mehr zur Verfügung steht. Der Theaterintendant hat diese Argumentation mit Blick auf die Musical-Millionen und ohne Blick auf die Haushaltslogik in der Vergangenheit wiederholt kritisiert.

Pierwoß selbst wollte gestern vor der Aufsichtsratssitzung zum Defizit und seinen Hintergründen genauso wie Kultursenator Schulte keine Stellungnahme abgeben. Die Sitzung dauerte bis Redaktionsschluss noch an. Die Aufsichtsrätin und Sprecherin der Kulturdeputation, Carmen Emigholz (SPD), ging mit der allgemeinen Forderung in die Sitzung, dass alle Häuser ihre Etats einhalten müssten. Sie wollte dafür plädieren, die „Theaterfinanzen zu konsolidieren“. Im Gegenzug soll das Theater ab 2002 einen „pauschalierten Strukturreformbeitrag“ erbringen oder – im Klartext – bis zu 500.000 Mark jährlich einsparen. ck