herr tietz macht einen weiten einwurf
: FRITZ TIETZ über Stirnebänder und Zahnpasten

Albtraum in Weiß

Nach dem 19. Weltmeisterschaftstitel unserer „Eiskönigin“ Gunda Niemann-Stirnemann behauptete Bild neulich: „Sie sammelt Gold-Medaillen wie andere Leute Briefmarken.“ Ein Vergleich, der stutzig macht, umfassen doch anderer Leute Briefmarkensammlungen für gewöhnlich mehr als nur 19 Sammelstücke – ausgenommen vielleicht die paar Kollektionen, die sich auf das Sammelgebiet Blaue Mauritius spezialisiert haben.

Auch sonst scheint der Vergleich ein eher knirschender zu sein. So ist der Briefmarkenfreund weder auf Eisflächen noch auf Schlittschuhe angewiesen, er benötigt lediglich ein Briefmarkenalbum, eine Pinzette und eine Lupe. Auch muss, ganz anders als die Athletin, der Philatelist keine extrem mischbunten, den Körper extrem wurstpellenartig umhüllenden Extremtextilien tragen. Ebenso wenig braucht er sich ständig diese extrem breiten Reklame-Stirnbänder über den Kopf zu stülpen, wie es allerdings „Gold-Gunda“ sehr konsequent vor fast jeder sich bietenden Fernsehkamera tut; Gunda Niemann-Stirneband wird sie deshalb auch schon mal scherzhaft gerufen.

Nein, er taugt nichts, der Vergleich mit den goldenen Medaillen und den gezackten Marken. Eisschnelllauf und Philatelie miteinander zu vermengen, das haut nicht hin. Wenn wenigstens die Rückseiten der Medaillen gummiert wären oder zumindest ein Philatelist Gundas Reklamestirn nutzen würde, indem er etwa sein Sammelgebiet darauf annoncierte oder spezielle Tauschgesuche. Gunda Niemann aber wirbt bloß für Strom und eine Kampagne des Thüringer Landwirtschaftsministeriums. In einem Radiospot sagt sie: „Und wenn ich gewonnen habe, dann freue ich mich auf eine richtige Thüringer Bratwurst.“ Freuen okay. Aber ob sie die Wurst auch isst, wenn sie gewonnen hat, davon sagt sie lieber nichts, und das wäre auch wenig glaubhaft. Erst recht nach ihren letzten Siegen in Salt Lake City, wo es bestimmt ein großes Problem ist, eine richtige Thüringer Bratwurst aufzutreiben. Selbst eine falsche wird man dort lange suchen müssen.

Und das, obwohl sich Gunda Niemanns jährliche Einnahmen auf den Gegenwert von knapp 700.000 Bratwürsten belaufen. Man kriegt eben nicht alles für Geld.

Dafür haben aber Niemann-Stirnemanns im heimischen Erfurt ein geräumiges Haus der Marke „Albtraum in Weiß“ erworben. Mit einem so großen Gartengrundstück drumrum, dass sich Gatte Olli dafür eigens einen Rasenmäher-Traktor zugelegt hat. „Er kauft sich Rasenmäher-Traktoren wie andere Leute Briefmarken“, könnte da doch eigentlich die Bild-Zeitung ähnlich sinnlos jubeln. Tut sie aber nicht.

Ob der Langstreckenläufer Dieter Baumann auch einen Rasenmäher-Traktor besitzt? Ein Haus zumindest hat er, so war’s in der Süddeutschen zu lesen, auch, dass es momentan renoviert wird. Bauen sie ihm da womöglich gerade einen gepanzerten Vorratsschrank für Zahnpastatuben ein? Der arme Baumann. „Ich brauche das Laufen. Es gehört zu mir. Das ist mein Leben“, crawlt es in einer Tour über seine Homepage, und man sitzt davor und denkt: Dann lauf doch. Aber so einfach ist das nicht, denn Baumann will nicht nur abends kurz zum Spaß oder einen langen Weg zu sich selbst, sondern unbedingt bei den Wettläufen des Internationalen Leichtathletikverbandes laufen. Dessen Statuten aber verbieten ihm das, weil sie Sportlern grundsätzlich den Gebrauch bestimmter Zahnpasten verbieten und so weiter – die Geschichte ist bekannt.

Fast so bekannt übrigens wie durch Baumanns Fall jene Zahnpasta wurde, die er damals benutzte, und von deren Herstellern er mittlerweile längst Reklamegelder gezahlt kriegen müsste. Er bräuchte sich dafür nicht mal mehr ein Reklame-Schweißband um den Kopf zu wickeln. Der Schriftzug „Elmex“ steht ihm auch so, und das wohl lebenslänglich, auf die Stirn geschrieben.

Autorenhinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.