Teuflisches Radio

Roms heilige Stimme nervt die Anwohner nicht nur mit lästigen Tönen, sondern auch mit gefährlicher Strahlung

ROM taz ■ „Wenn Radio Vatikan nicht endlich die italienischen Strahlengrenzwerte akzeptiert, dann werde ich dem Sender in 14 Tagen einfach den Saft abdrehen.“ Heftiger Beifall war Umweltminister Willer Bordon sicher, als er auf der Bürgerversammlung in Cesano bei Rom dem Papstsender mit Stromsperre drohte. Cesano, Santa Maria di Galeria, La Storta sind grüne Vororte im Norden Roms, die im Unterschied zum luftverschmutzten Stadtzentrum gesundes Leben versprechen. Wenn da nicht Radio Vatikan wäre: Auf einem 400 Hektar großen Areal erheben sich Dutzende Sendemasten, die die ganze Welt mit der Frohen Botschaft beschallen sollen.

Vor allem beschallen sie Cesano auch ohne Radio. Aus Telefonen, Gegensprechanlagen, ja sogar aus Spülmaschinen und Waschmaschinentrommeln ertönt dort bisweilen eine heilige Messe oder eine Papstrede. Doch der Sender ist nicht nur lästig; er ist auch lebensgefährlich, meinen die Menschen in Cesano. Konstant überschreitet er Italiens Elektrosmoggrenzwerte von 4 Voltmetern um das Dreifache, ja, erreicht Spitzenwerte von 50 Voltmetern. Grund für Bürger und Wissenschaftler, hier die Ursache für die Häufung von Krebs und Leukämie zu vermuten. Denn rund ums fromme Radio ist Leukämie bei Kindern sechsmal häufiger als in Rom.

Doch den Vatikan ficht das nicht an. Nichts sei bewiesen und die Grenzwerte seien uninteressant, da das Sendegelände durch Verträge mit dem italienischen Staat extraterritorialen Status genieße. Doch diese Ansicht teilt weder Italiens Justiz (sie hat gerade einen Prozess gegen drei Chefs des Senders eröffnet) noch der Umweltminister: Schließlich erfolge die rechtswidrige „Einbringung gefährlicher Substanzen“ auf italienischem Territorium. Auch ein Botschafter dürfe zum Beispiel nicht einfach Kühlschränke aus seiner Residenz auf die Straße werfen. Bordon setzt jetzt nach monatelangen fruchtlosen Gesprächen auf Härte. Dem Vatikan kann er nicht reinreden – aber er kann Italiens Stromversorger verpflichten. Gibt der Vatikan nicht nach, endet in zehn Tagen die Gnadenfrist. MICHAEL BRAUN