Jubel auf dem Rathausplatz

Bei den Kommunalwahlen in Frankreich erringt die Linke in der Hauptstadt Paris und in Lyon historische Siege, muss aber in anderen Orten Niederlagen einstecken. Die großen Verlierer sind die Kommunisten, die Grünen legen zu

aus Paris DOROTHEA HAHN

„Paris liberée – Paris ist befreit“, schreien sich die beiden Jungen die Kehle heiser, die in der Nacht zu Montag zwischen den dicht gestauten Autoreihen auf der Rue de Rivoli tanzen. „Paris wird links und ökologisch“, skandieren andere Jugendliche, die auf dem benachbarten Rathausvorplatz Laternenmasten hochgeklettert sind, Abzeichen der sozialistischen Jugend tragen und die Schwulenfahne schwenken. Zwischen ihnen stehen ein paar tausend PariserInnen und klingeln mit ihren Schlüsselbunden. „Lasst uns rein“, rufen sie immer wieder in Richtung des pompösen Hôtel de Ville, in das in den nächsten Tagen Betrand Delanoë als erster gewählter linker Bürgermeister der französischen Hauptstadt einziehen wird.

Es wird eine „fête de la démocratie“, hatte Delanoë gesagt, als er – fast drei beinahe unerträglich spannende Stunden nach Schließung der Wahllokale – am Sonntagabend gegen 23 Uhr seine erste Ansprache hielt. Er redete für „alle Pariser“. Lud ausdrücklich alle zu dem Fest auf dem Rathausvorplatz ein. Und vermied in seiner ersten Ansprache jeden Hinweis auf eine linke Linie in der künftigen Stadtpolitik. Vage und vorsichtig sprach er von einer „Aussöhnung der Pariser mit sich selbst“, von einer „kulturellen Erneuerung“ und von einer Zukunft mit „Vorstellungskraft und Hoffnung“.

Dabei hat die Pariser Linke – eine Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und Kommunisten – an diesem Sonntag einen ebenso klaren wie historischen Wahlsieg davongetragen. Sie eroberte rund 55 Prozent der Stimmen und 12 der 20 Arrondissements der Hauptstadt.

Wenig zuvor vermeldete die französische Linke auch den erhofften, aber bis zuletzt bezweifelten Sieg in der Großstadt Lyon. Gegen ein zwischen den beiden Wahlgängen organisiertes fragwürdiges Bündnis zwischen Neogaullisten und anderen Konservativen, unter ihnen Charles Million, die noch vor drei Jahren mit der rechtsextremen Front National zusammenarbeiteten und dafür unter anderem von Staatspräsident Jacques Chirac geächtet worden waren, konnte sich auch an der Rhône die Linke durchsetzen. Wie in Paris war es das erste Mal.

Siegesstimmung kam dennoch nur zögerlich im Hauptquartier des Pariser Spitzenkandidaten Delanoë und auf dem Rathausvorplatz auf. Denn neben den beiden Siegen verbuchte die Linke an diesem Sonntag landesweit zahlreiche Niederlagen. Sie verlor – wegen einer innersozialistischen Konkurrenz – die Großstadt Straßburg an die Konservativen. Sie verlor Orléans (sozialdemokratisch), Quimper (sozialdemokratisch) und mehrere Dutzend anderer Orte, und sie schaffte auch den bereits sicher gewähnten Sieg in Toulouse nicht. In der südwestlichen Stadt war zwischen den beiden Wahlgängen die bunt gemischte linksradikale Liste „Motivés“ mit den SozialdemokratInnen zusammengegangen.

Mehrere MinisterInnen der rot-rosa-grünen Regierung, die den ersten Urnengang vor einer Woche überlebt hatten, erlitten an diesem Sonntag empfindliche Niederlagen. Die härteste Ohrfeige ging an Erziehungsminister Lang, der das seit langem von ihm geführte Loire-Städtchen Blois an die Konservativen knapp verlor. Empfindliche Niederlagen mussten auch Arbeitsministerin Guigou (in Avignon) und Europaminister Moscovici (in Montbéliard) einstecken.

Besonders hart traf das Wählervotum die KommunistInnen:Die verloren nicht nur ihre letzte Stadt mit über 100.000 EinwohnerInnen (Nîmes), sondern auch zahlreiche kommunistische Hochburgen im einstmals „roten Gürtel“ rund um Paris und im Süden Frankreichs. Dort war auch die Stimmenthaltung mit bis zu über 50 Prozent die höchste im Lande.

Als große GewinnerInnen trumpften hingegen die Grünen auf. In Paris hatten sie nach einer erfolgreichen getrennten Kandidatur für den ersten Wahlgang vor einer Woche zu der gemeinsamen Liste mit Delanoë – „Changeons d'Ere“ – fusioniert. Direkte Kontakte mit ihren sozialdemokratischen Partnern haben sie nicht. PS und Verts feiern im selben Zelt, aber in getrennten Kreisen. Die KommunistInnen, die ebenfalls geladen waren, kommen erst gar nicht. „Das ist eine schwere Niederlage für uns“, geben ihre SprecherInnen im französischen Fernsehen zu.

Auf dem Rathausvorplatz von Paris will niemand etwas von Niederlage hören. Die jungen Leute, die Delanoë zujubeln, haben klare Forderungen: weniger Autos, günstigere Mieten, vor allem für StudentInnen, und ein Ende der Vetternwirtschaft.