Wettstreit der Stolzen

Aus dem Lande der Deutschen: Worauf darf man stolz sein? Merz ist stolz auf Schumi, der Kanzler auf Land und Leute, Kuhn auf die Verfassung

von SEVERIN WEILAND

Nein, sagt Unions-Fraktionschef Friedrich Merz im Presseraum des Reichstags, nein, er habe die Äußerungen von Thomas Goppel „nicht zu kommentieren und zu bewerten“. Generalsekretäre der CDU und der CSU würden jeweils für ihre eigenen Parteien sprechen. Würde er dem Bundespräsidenten etwas mitzuteilen haben, geschähe dies persönlich.

Merz, so wird an diesem Montag in Berlin deutlich, sind die öffentlichen Bekundungen des CSU-Generalsekretärs wohl doch nicht ganz geheuer. Auch wenn er Goppel zubilligt, die Rolle eines Generalsekretärs sei es nun auch einmal, etwas „kräftiger zuzulangen“. Worüber Merz sich ausschwieg, hatte Goppel gestern via Bild verlautbaren lassen: „Bei einem Bundespräsidenten, der diesen Stolz nicht hat, darf man fragen, ob er die 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger seines Landes angemessen vertritt.“ Was Goppel aufbrachte, war eine Bemerkung Johannes Raus, stolz sein könne man auf das, „was man selber zu Wege gebracht hat“ (siehe Kasten).

Auf den Weg bringen will die Union Ende März eine Debatte im Bundestag, in der es nicht nur um die von ihr verlangte Entlassung des Umweltministers Jürgen Trittin und dessen Äußerungen über CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer gehen soll. Zentrales Anliegen sei es, über „nationale Identität“ zu sprechen, sagte Merz. Insbesondere die Sozialdemokratie habe „ihr Verhältnis zur deutschen Nation zu klären“. Wenn man nicht mehr sagen könne, man sei stolz, Deutscher zu sein, dann habe die Bundesregierung ein Problem, „über das wir dann reden werden“.

Merz, der auf der Pressekonferenz ein Gefühl „innerer Berührung“ beim Sieg des Rennfahrers Michael Schumacher am Wochenende in Malaysia als ein Beispiel des ungetrübten Nationalstolzes bekundete, umriss gestern die Strategie der Union. Bis zu den Landtagswahlen am 25. März in in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg werde er bei dortigen Auftritten Trittin zum „zentralen Thema“ seiner Rede machen. Unterstützt werden wird Merz’ Auftritt in Rheinland-Pfalz durch eine Unterschriftenaktion gegen den grünen Minister Trittin – ob sich auch die Baden-Württemberger daran beteiligen, galt gestern als unsicher.

Bei der SPD versuchte man die Debatte abzuwehren und mit eigenen Nuancierungen zu versehen. Während Bundestagspräsident Wolfgang Thierse die Heftigkeit der Attacke Goppels gegen Rau rügte („Kein guter demokratischer Stil“), SPD-Fraktionschef Peter Struck sie „unerhört“ nannte, legte der Bundeskanzler eine neue Variante in der Debatte über Nationalstolz vor: „Ich bin auf die Leistungen der Menschen und auf die demokratische Kultur stolz“, so Schröder, „und in diesem Sinne bin ich ein deutscher Patriot, der stolz auf sein Land ist.“

Bei den Grünen wollte deren Parteichef Fritz Kuhn gestern bei der Union Anzeichen eines „politischen Gesinnungs-TÜV“ erkennen. Man wolle festlegen, „wer ob und auf was stolz zu sein hat“. Glücklicherweise lebe man in einem Land, in dem vielschichtige Identitäten möglich seien. Er sei zum Beispiel stolz auf das Grundgesetz, schäme sich aber dafür, wie ein Teil der Wirtschaft die Entschädigung der Zwangsarbeiter handhabe, und für Handlungen von Rechtsradikalen.