Hoffen auf Selbstheilungskräfte

Auch Stabilitätspaktkoordinator Bodo Hombach ist überzeugt, dass sich der aktuelle Balkankonflikt durch bewährte Rezepte in Schach halten lässt

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Mit einer rein diplomatischen Offensive versucht die EU den drohenden Bürgerkrieg in Makedonien aufzuhalten. Die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner steht mit ihrer Forderung, das KFOR-Mandat auf Makedonien auszuweiten, ziemlich allein. Unterstützung erhielt sie gestern beim EU-Außenministertreffen in Brüssel nur vom Balkanbeauftragten der Gemeinschaft, Wolfgang Petritsch. Der verlangte, die EU müsse sich politisch, diplomatisch und militärisch engagieren. Auch Nato-Generalsekretär George Robertson forderte die Europäer auf, mehr Soldaten in die Region zu schicken.

Die anderen Außenminister scheinen nach den Erfahrungen im Kosovokonflikt ihr Zutrauen in militärische Lösungen verloren zu haben. Sie setzen in der aktuellen Krise auf ihre politischen Einflussmöglichkeiten. Nach Gesprächen im Rat reiste der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, zusammen mit dem für Außenbeziehungen zuständigen EU-Kommissar Chris Patten am Montag in die Region. Der makedonische Außenminister Srdjan Kerim sprach zur gleichen Zeit in Brüssel mit der schwedischen Außenministerin und Ratsvorsitzenden Anna Lindh, dem OSZE-Vorsitzenden Mircea Geoana und mit Stabilitätspaktkoordinator Bodo Hombach.

Letzterer gab sich gestern zuversichtlich, dass seine Rezepte auch in der jetzigen Situation greifen: Runde Tische bilden, jeden mit jedem ins Gespräch bringen, grenzüberschreitende Projekte erdenken und dafür Geldgeber gewinnen. „Das ist der erste Balkankonflikt, von dem ich glaube, dass er durch die Selbstheilungskräfte der Region in Schach gehalten wird. Diese Extremisten sind politisch isoliert“, versicherte Hombach. Seine Gespräche mit allen politischen Führern der Region hätten gezeigt, dass sowohl Ibrahim Rugova und Hashim Thaçi im Kosovo als auch die albanische Regierung in Tirana und die Parteien der albanischen Minderheit in Makedonien den Terror verurteilten.

Wieso die „Terroristen“ trotz dieser angeblich fehlenden politischen Unterstützung ständig mit Waffen versorgt werden, wusste weder Hombach noch der makedonische Außenminister Kerim zu erklären. Wichtig sei aber, dass die KFOR einen Riegel zwischen das Kosovo und Makedonien schiebe. „Da muss eine rote Linie in den Sand gezogen werden“, sagte Hombach. „Wer die Macht hat – und das ist derzeit die KFOR –, muss dafür sorgen, dass die Nachbarn unbelästigt leben können.“

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer dagegen rät jedem, der sich die Abriegelung des Krisengebiets einfach vorstellt, „da mal hinzufahren“. Er selbst besuchte die Region am Freitagabend. Die KFOR versuche, verstärkte Grenzkontrollen auf Kosovo-Seite vorzunehmen. Das Einsickern von Waffen und Kämpfern sei aber in dem schwierigen Hochgebirgsgelände kaum zu verhindern. Es sei auch nicht möglich, mit den albanischen Rebellen zu verhandeln. „Unser Ansprechpartner ist die makedonische Regierung“, betonte Fischer. Im Rahmen der parlamentarischen Kontakte sei man aber auch mit der albanischen Minderheit im Gespräch.

Makedoniens Außenminister Kerim betonte mehrfach, die Gesetze, die die Rechte der albanischen Makedonier sichern sollen, seien bereits mit großer Mehrheit im makedonischen Parlament verabschiedet worden. Sie stellten sicher, dass künftig in albanischer Sprache an Schulen und Hochschulen unterrichtet werde. Auch sollten die Polizeikräfte durch Albanier verstärkt werden, um der albanischen Minderheit gegenüber ein Zeichen zu setzen.

Joschka Fischer lobte gestern die albanische Regierung und die makedonische Seite, die beide verantwortungsvoll mit dem Konflikt umgingen. Partnerschaftsabkommen mit allen Ländern der Region seien der beste Weg, um die Rebellen zu isolieren. „Die Frage hat Grundsatzwert: Wird Europa die Kraft und die Ausdauer haben, die Region vom Nationalismus wegzuführen? Oder werden wir scheitern und zulassen, dass sich die Region ein weiteres Mal mit Gräbern überzieht?“