Gesamtschule will gesamter werden

■ Abitur an einer Gesamtschule war bisher in Bremen tabu. Die Integrierte Stadtteilschule am Leibnizplatz will im Herbst ein Modell „Gesamtschule von Klasse 5 bis Klasse 12/13“ vorlegen

Bremens Schullandschaft ist in Bewegung. Die Schulkonferenz der „Integrierten Stadtteil-Schule am Leibnizplatz“ hat mit einstimmiger Unterstützung des Elternbeirates beschlossen, ein Konzept für eine Weiterführung der Schule bis zum Abitur zu formulieren. Im September, wenn die Schule ihr „Zehnjähriges“ feiert, soll die jetzt eingerichtete Arbeitsgruppe vielleicht schon ihre Ergebnisse vorstellen. Die Initiative bedeutet für Bremen Neuland auch in einer anderen Hinsicht: Nicht nur das „normale Abitur“ soll man an der Gesamtschule machen können, auch ein „12-Jahres-Curriculum“ könnte im Angebot dabei sein.

Seit Jahren löst sich die früher klar horizontal gegliederte Schulstruktur Bremens auf, sagt die stellvertretende Schulleiterin Anke Braunschweiger. Wenn die Gesamtschulen nicht zusehen wollen, wie ihnen leistungsstarke SchülerInnen weglaufen zu den durchgehenden Gymnasien, müssen sie etwas tun. „Die forcierte Einführung von durchgehenden Gymnasien“ zwinge zum Handeln, heißt es in dem Informationsblatt der Schule, dem „Leibnizblatt“: Die Schüler, die früher auf die Gesamtschule kamen und dann in die gymnasiale Oberstufe wechselten, würden „zunehmend ab Klasse 5 bereits einen isolierten gymnasialen Bildungsgang aufsuchen. Das macht dann mit dem 'Rest' an der Gesamtschule keine wirkliche Gesamtschularbeit mehr möglich. Gesamtschule braucht als Basis Vielfalt und Verschiedenheit.“

Martin Kurp, Lehrer am Leibniz-platz und Mitglied in der Arbeitsgruppe für das weiterführende Konzept, war vor zehn Jahren schon in der Initiative für die neue Gesamtschule aktiv. Dass die Gesamtschule einmal zum Abitur führen könnte, „habe ich immer mitgedacht“, sagt er heute, aber es war bisher kein Thema: „Jetzt bricht alles auf.“

Die Schule am Leibnizplatz kann dabei ihre Pläne auf einer Woge der Beliebtheit schmieden: Wenn man die „Geschwisterkinder“ herausrechnet, dann bewerben sich drei Mal so viele Kinder für die vier 5. Klassen der Schule als noch freie Plätze da sind. Mit einer Klassenfrequenz von 21 SchülerInnen hat die Gesamtschule ein attraktives Angebot zu machen. Hinzu kommen Schwerpunkte im Bereich Multimedia, Sport (Rudern, Circus) und Kunst. Diese Schwerpunkte könnten im „Profil“ der Oberstufe weitergeführt werden - zusätzlich zu dem Pflicht-Kanon der normalen Abitur-Fächer.

Derzeit verteilen sich im Durchschnitt 35 Schülerinnen und Schüler nach der zehnten Klasse der „IS Leibnizplatz“ auf weiterführende Schulen. Sehr beliebt ist zum Beispiel das Schulzentrum Rübekamp in Walle. Die meisten, das haben Umfragen ergeben, wären aber dennoch am liebsten an „ihrer“ Schule geblieben. Wenn noch ein paar SchülerInnen von anderen Sek-I-Zentren dazukämen, könnte am Leibnizplatz eine kleine, überschaubare Oberstufe entstehen. Da die Gesamtschüler gelernt haben, selbstständig und in Projekten zu lernen, könnte es in dem Konzept durchaus auch „jahrgangsübergreifende“ Angebote geben.

Das Schulzentrum Delmestraße in der Neustadt hatte den Antrag formuliert, eine durchgehende Struktur in der Neustadt anbieten zu können - in seinem Falle als Gymnasium. Die CDU unterstützt das, die SPD und die Bildungsbehörde haben es bisher abgelehnt. Die Schule am Leibnizplatz hat bisher bewusst darauf verzichtet, unter taktischen schulpolitischen Gesichtspunkten zu überlegen, was durchsetzbar sein könnte und was nicht.

„Erst einmal wollen wir intern klären, was wir wollen“, sagt Kurp. Die schulpolitische Landschaft ändere sich derzeit so schnell, dass im nächsten Jahr das vorstellbar sein kann, was heute undenkbar scheint. K.W.