Hier kommt das Licht

Tanzende Farben: Das Nickelodeon-Kino zeigt „Die kleine Verkäuferin der Sonne“, ein Film des senegalesischen Regisseurs Djibril Diop Mambety

von THOMAS WINKLER

Manche Trilogien haben nur zwei Folgen. So die „Geschichten von kleinen Leuten“ des senegalesischen Regisseurs Djibril Diop Mambety. Die „Histoires de petites gens“ sollten drei Filme werden, in denen Menschen die Hauptrolle spielen, „die jeden Morgen mit derselben existenziellen Frage aufwachen: Wie sie das Leben meistern sollen.“ Doch als Mambety im Sommer 1998 im Alter von 53 Jahren in Paris an Lungenkrebs stirbt, steckt er noch mitten in der Postproduktion der zweiten Episode „Die kleine Verkäuferin der Sonne – La petite vendeuse de Soleil“. Freunde und sein Bruder, der Musiker Wasis Diop, vollenden den Film nach seinen Aufzeichnungen. Der geplante dritte Teil „La tailleuse de pierre“ wird wohl nie gedreht werden.

„Ich bin sicher, dass afrikanische Filmemacher das Kino neu erfinden können“, hat der ausschließlich mit Laiendarstellern arbeitende Autodidakt Mambety einmal gesagt, und: „Jedes Mal, wenn ich einen Film mache, will ich das Kino neu erfinden.“ In „Le Franc“, dem ersten Teil der Trilogie, stolpert ein afrikanischer Tati durch die senegalesischen Realitäten, um wie im Vorübergehen die Zerrissenheit der Gesellschaft zu dokumentieren. Es geht durch Abrissgegenden und über Wiesen, auf denen Kühe in einem Meer aus Plastikabfällen weiden, dem zum Gebet rufenden Muezzin antwortet wie bei einem Gospel ein Straßenmusiker auf seinem Saxofon.

Im Vergleich dazu ist der Ton in „Die kleine Verkäuferin der Sonne“ bei weitem nicht so humorvoll. Bedächtig, fast poetisch erzählt Mambety die Geschichte von Sili, die sich als Zeitungsverkäuferin in Dakar durchsetzt, obwohl sie behindert und ein Mädchen ist. Dabei muss sie sich ebenso gegen eine misstrauische Polizei wie gegen missgünstige Konkurrenten behaupten. In einer der schönsten Szenen tanzt Sili trotz Krücken, und andere Mädchen imitieren sie. So wird ihre Behinderung Teil des Tanzes, und Sili behält trotz der ausweglosen Situation ihr Selbstbewusstsein, ihre Würde, ihr Leben.

Selten waren wohl solche Farben zu sehen. Das Rotbraun der Erde, das Blau des Himmels, das Grau des Asphalts, das reine Weiß der Kühlschränke, die zum Verkauf am Straßenrand stehen. Die ruhigen, klar strukturierten Bilder zeichnen ein Dakar, das zwar voller Menschen, aber mitunter seltsam ruhig, fast leblos ist. Wasis Diop hat dazu die Musik gemacht, eine sanfte, wunderschöne Musik, die selbst das grelle Licht Afrikas milde stimmt.

Mambetys berühmtere, lange Filme „Touki Bouki“ und „Hyènes“ zeigen die deprimierende politische und soziale Situation afrikanischer Staaten auf. Die „Geschichten von kleinen Leuten“ sind der positive Gegenentwurf: Ihre Protagonisten lassen sich nicht unterkriegen, verlieren nie ihre Würde. „Dieser Film ist eine Hymne auf den Mut der Straßenkinder“, heißt es im Abspann, und noch wenn Sili zu Boden gestoßen wird, lacht sie und blickt optimistisch in die Zukunft. Die Abwertung des afrikanischen Franc ist nur mehr eine Schlagzeile, die die Kinder laut rufen, um ihre Zeitungen zu verkaufen.

In der letzten Einstellung von „Hyènes“ macht ein Bulldozer das Dorf, in dem Mambety selbst aufgewachsen ist, dem Erdboden gleich. In der letzten Einstellung von „Die kleine Verkäuferin der Sonne“ hat Sili zwar ihre Krücken verloren, aber wird von ihrem Freund Babou ins helle Tageslicht getragen.

„Die kleine Verkäuferin der Sonne – La petite vendeuse de Soleil“. Regie und Buch: Djibril Diop Mambety. Kamera: Jacques Besse. Mit Lissa Balera, Tairu M’Baye, Oumy Samb, Moussa Balde. Senegal 1999, 45 Min.