alltäglicher rassismus: Erfahrungsbericht eines Schülers
Kein Eintritt für Schwarzhaarige
Ashkan K. (18) ist Schüler in Steglitz. Mit dem folgenden Brief wandte er sich an die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John. Die taz dokumentiert in Auszügen:
Meine Eltern sind Iraner und mit mir 1984 nach Deutschland geflüchtet, ich bin hier aufgewachsen und wurde durch meine Eltern, so gut sie es konnten, in die deutsche Kultur und deren Tugenden eingeweiht und nach ihnen erzogen. Mein Vater hat in Deutschland Informatik studiert und arbeitet heute in seinem Beruf bei einem Verlag, meine Mutter studierte hier Biotechnologie und arbeitet ebenfalls in ihrem Beruf.
Ich bin, wie jeder in meinem Alter, ein sehr aktiver Junge, sowohl in der Schule (Schulsprecher) wie auch in meiner Freizeit. Doch oft, wenn ich mit meinen Freunden, die größtenteils aus Deutschen bestehen, in eine Discothek gehen möchte, entstehen schon Probleme. Beispiel: Heute habe ich mich mit zwei Freundinnen und einem Freund getroffen, um die Discothek Blu aufzusuchen. Nachdem ich mich vorbereitet hatte (Dusche, Anzug vom Papa ausleihen, Haar stylen etc.), fuhren wir zusammen zum Potsdamer Platz. Als wir vor dem Türsteher ankamen, gingen Jennie und Denis vor. Doch Sophie und mich ließ man nicht rein. Sie sagten uns, die Disco sei zu voll. Aus Loyalität zu uns kamen Jennie und Denis wieder heraus und wir besprachen die Situation. Währenddessen beobachteten wir, wie zirka 30 Personen nach uns der Einlass gewährt wurde. Vereinzelt wurde manchen mit schwarzen Haaren der Zutritt auch verweigert. Sophie fragte den Türsteher, warum diese reinkamen und wir nicht.
Daraufhin antwortete der Türsteher, dass sie auch die Möglichkeit hätte hereinzukommen, wenn sie sich einen neuen Freund suche. Meine Freundin ließ sich dadurch nicht provozieren und fragte ihn, wo das Problem sei? Er erklärte uns, dass er nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz Ausländer reinlassen könne.
Das ist kein Ausnahmefall, dies passiert uns jedes Wochenende. Es gibt immer Ausreden, und wenn man anfängt zu diskutieren, erzählen sie schließlich den wahren Grund: Ausländer und Hunde bitte vor der Tür warten. Wenn man sich jedes Wochenende so etwas gefallen lassen muss, dann hat man irgendwann die Nase voll und rastet aus. Dann verstehe ich auch die Leute, die sich dann mit den Türstehern anlegen. Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Ich hasse Gewalt und würde mich niemals auf dieses Niveau begeben.
Ich möchte wie andere Deutsche oder die, die so aussehen, und am besten ohne Schönheits-OP und ohne meine Haare blond färben zu müssen wie jeder andere behandelt werden.
Ich meine, die Discobesitzer machen sich doch so selber Probleme, erst waren wir denen zu unrasiert und sportlich angezogen und ohne Begleitung, jetzt haben wir uns geändert, tragen Abendgarderobe, rasieren uns, gehen regelmäßig zum Friseur, stylen uns auf, nehmen weibliche Begleitung mit und kommen trotzdem nicht rein. Die Ausländer kommen denen entgegen, immer mehr und mehr, doch es gibt kein Entgegenkommen von den Türstehern, egal ob im Blu oder in anderen Discos.
Ich habe ein großes Problem damit und ich liebe mein Heimatland Deutschland, aber das ist echt nicht mehr lustig. Ich sehe meine Freunde sehr selten und wenn nur am Wochenende, und dann sitzen wir an der Straßenecke vor der Disco und sind alle schlecht gelaunt, und die Schuldgefühle habe ich, denn ich bin das Hindernis, nur weil meine Eltern Iraner sind. Man verliert Selbstvertrauen, man denkt sich, was haben die, was ich nicht habe?
Hochachtungsvoll
Im Auftrag meiner Freunde
und aller Gleichgesinnter
Ashkan K.
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